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Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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spielt.«
    » Commandant, ich bin jetzt Commandant. Erinnern Sie sich, Sie haben meiner Beförderungsfeier beigewohnt. Was für ein Konzert?« fragte Danglard, dem Camilles Interessen immer sehr am Herzen lagen.
    »Sicher irgendwas Bedeutendes. Ein englisches Orchester mit alten Instrumenten.«
    »Das Leeds Barock-Ensemble?«
    »Ein Name in der Art, ja«, bestätigte Adamsberg, der nie ein Wort Englisch gelernt hatte. »Fragen Sie mich nicht, was sie spielt, ich weiß es nicht.«
    Adamsberg stand auf, nahm seine feuchte Jacke und hängte sie sich über die Schulter.
    »Passen Sie auf die Katze auf, solange ich weg bin, auf Mortier, auf die Toten und die Stimmung von Lieutenant Noël, die immer schlechter wird. Ich kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen, ich habe meine Pflichten.«
    »Jetzt, wo Sie ein verantwortungsbewußter Vater sind«, brummte Danglard.
    »Wenn Sie es sagen, Capitaine.«
    Adamsberg nahm Danglards grummelige Vorwürfe, die er fast immer für gerechtfertigt hielt, bereitwillig an. Der Commandant zog seine fünf Kinder wie eine Vogelmutter allein groß, während Adamsberg immer noch nicht richtig begriffen hatte, daß das Neugeborene seins war. Seinen Namen allerdings hatte er sich schon eingeprägt, Thomas Adamsberg, genannt Tom. Ein Pluspunkt für ihn, fand Danglard, der beim Kommissar nie ganz die Hoffnung aufgab.

8
    Auf den einhundertsechsunddreißig Kilometern bis zu dem Dorf Haroncourt im Departement Eure war Adamsbergs Kleidung im Auto getrocknet. Er hatte sie nur mit der Hand glattstreichen müssen, um sie wieder überziehen zu können, bevor er eine Bar fand, in der er im Warmen warten wollte, bis es Zeit für seine Verabredung war. Der Kommissar hatte es sich mit einem Bier auf einer abgewetzten Bank bequem gemacht und studierte die Gruppe, die gerade lärmend den Raum belegte und ihn damit aus seinem Dämmerzustand riß.
    »Soll ich dir was sagen?« fragte ein großer blonder Mann und schob seine Mütze mit dem Daumen zurück.
    Ob er der andere will oder nicht, dachte Adamsberg, er wird es sagen.
    »So eine Sache, soll ich dir was sagen?« wiederholte der Mann.
    »Die macht durstig.«
    »Genau, Robert«, pflichtete ihm sein Nachbar bei, während er mit ausladender Geste sechs Gläser füllte.
    Der große Blonde, der wie ein Klotz gebaut war, hieß demnach also Robert. Und er hatte Durst. Es war Zeit für den Aperitif, die Köpfe wurden zwischen die Schultern gezogen, die Arme um die Gläser geschlossen, das Kinn angriffslustig vorgestreckt. Die Stunde der würdevollen Gemeinschaft der Männer, wenn das Angelusläuten im Dorf ertönt, die Stunde, da gewichtige Sätze fallen und dazu genickt wird, die Stunde der bäuerlichen Rhetorik, großartig und lächerlich. Adamsberg kannte sie aus dem Effeff. Er war in ihren Singsang hineingeboren worden, war in ihrer feierlichen Musik groß geworden, er kannte ihren Rhythmus und ihre Themen, ihre Variationen und Kontrapunkte, und er kannte ihre Protagonisten. Robert hatte gerade den ersten Ton angestrichen, und jedes Instrument setzte gleich darauf nach einer unveränderlichen Ordnung ein.
    »Ich sag dir noch was«, verkündete der Mann zu seiner Linken. »Das macht nicht nur durstig. Man kriegt einen Drehwurm davon.«
    »Genau.«
    Adamsberg wandte den Kopf, um denjenigen besser zu sehen, dem die bescheidene, aber notwendige Aufgabe zukam, jede Wendung des Gesprächs noch einmal zu unterstreichen, wie durch einen Baßton. Klein und mager, der Schwächste von ihnen. Das war nicht anders zu erwarten, hier wie überall sonst.
    »Der das getan hat«, sagte ein großer Krummer am Ende des Tisches, »ist kein Mensch.«
    »Der ist ein Tier.«
    »Schlimmer noch als ein Tier.«
    »Genau.«
    Einführung des Themas. Adamsberg holte sein Notizbuch hervor, das von der Feuchtigkeit noch wellig war, und versuchte die Gesichter aller Akteure zu zeichnen. Normannische Gesichter, ohne jeden Zweifel. Er erkannte in ihnen die Züge seines Freundes Bertin wieder, eines Abkömmlings des Gottes Thor, Herrscher über den Donner, der ein Café auf der Place de Paris besaß. Allesamt eckige Kiefer, hohe Wangenknochen, allesamt helles Haar und blaßblaue, ausweichende Blicke. Es war das erstemal, daß Adamsberg den Fuß in das Land der regennassen Wiesen der Normandie setzte.
    »Meiner Meinung nach«, fing Robert wieder an, »ist es ein Junger. Ein Besessener.«
    »Ein Besessener muß nicht zwangsläufig jung sein.«
    Kontrapunkt, den der Älteste von allen vorbrachte, der,

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