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Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller

Titel: Die dritte Klaue Gottes: SF-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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der Verstorbene feierlich aufgebahrt war, und hatten den gleichen respektvollen Satz auf Bocai gesprochen: Gehe im Lichte, in das wir folgen müssen. Ich mochte gar nicht darüber nachdenken, wie lange ich nicht mehr daran gedacht hatte, aber nun lagen mir die Worte wieder auf der Zunge. Tonlos sprach ich sie aus und schüttelte den Kopf, als mir bewusst wurde, was ich getan hatte. Dann sagte ich: »Das war der erste Satz auf Bocai, den ich seit Jahrzehnten ausgesprochen habe.«
    Skye blieb dicht an meiner Seite, schützend. »Du hast heute Abend schon ein paar Worte Bocai gesprochen.«
    »Wirklich? Daran erinnere ich mich gar nicht.«
    »Damit muss man rechnen«, gackerte Paakth-Doy. »Ich weiß, dass ich, wenn ich sehr angespannt bin, in meine Muttersprache Riirgaani zurückfalle.«
    Ich hatte in meinem Berufsleben schon viel zu viele Leichen gesehen, und ich hatte gelernt, diese auskühlenden Ansammlungen von Fleisch als bloße Ablenkung zu betrachten, in ihnen viel mehr Probleme zu sehen, die gelöst werden mussten, als beendete Leben, die zu betrauern waren. Aber nach all diesen Jahren wieder einen toten Bocai vor mir zu haben, riss den Schorf von alten Wunden. Für einige Sekunden war ich wieder acht Jahre alt. Ich schniefte, rieb mir die Augen mit dem Handrücken und murmelte, unfähig, etwas Nützlicheres von mir zu geben: »Das muss eine Qual gewesen sein.«
    »Ich würde nicht so sterben wollen«, sagte Paakth-Doy.
    »Es ist nicht, wie ihr denkt«, sagte Skye zu uns. »Basierend auf meiner Lektüre während der Nachforschungen über die Spezies, gehe ich davon aus, dass die K'cenhowten nicht in dem Sinne, wie wir den Begriff verstehen, als Folterknechte agiert haben.«
    »So?«
    »Folter bedeutet für die K'cenhowten etwas anderes. Ihr Schmerzempfinden ist nach menschlichen Maßstäben nicht besonders ausgeprägt. Sie wissen, wenn mit ihrem Körper etwas Furchtbares geschieht, und sie empfinden all den Schrecken, der aus unserer Sicht vielleicht zu erwarten ist, wenn sie sehen, wie ihre Körper geschunden werden, aber es gibt stets eine Obergrenze für jedes Leid, das sie wahrnehmen können, und die liegt innerhalb der Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit. Das ist eine eingebaute Grenze, die sie davor bewahrt, durch Schmerz ihrer Lebensfähigkeit beraubt zu werden, und sie von der menschlichen Neigung befreit, das Bewusstsein zu verlieren oder Krämpfe zu erleiden oder, wie es Gefangenen oft ergeht, wenn sie über einen längeren Zeitraum gefoltert werden, einen geistig vernichtenden Schock.«
    »Das ist ein verteufelt guter Überlebensmechanismus«, sagte ich. »Aber bei der Klaue Gottes dürfte der auch nicht mehr funktionieren.«
    »Gerade bei der Klaue Gottes«, widersprach Skye. »Im Dunklen Zeitalter der K'cenhowten gab es einige Exekutionsmethoden, die nach menschlichem Ermessen schlicht unerträglich sind, aber die Klaue verbrennt den größten Teil der körpereigenen Schmerzrezeptoren auf die gleiche Weise, wie sie den Rest der Organe kocht. Bei dieser Art der Folter geht es nicht darum, Schmerz zu bereiten, sondern um schlichtes Entsetzen. Die Opfer werden vor einem Spiegel platziert und gezwungen, zuzusehen, wie alles, was sie am Leben erhält, aus ihnen herausläuft, obwohl ihr Exoskelett unversehrt ist. Für einen K'cenhowten in seiner undurchdringlichen Hülle muss das sein, als würde ihre Wahrnehmung der Welt auf den Kopf gestellt werden.«
    Paakth-Doy schauderte. »Ich hatte mir Höllenqualen vorgestellt.«
    »Und damit liegen Sie auch richtig, Doy, aber es ist eine andere Art von Qual. Stellen Sie sich vor, Sie wären ein menschlicher Gefangener im Mittelalter, der langsam über offener Flamme geröstet wird, nachdem man ihm eine Droge verabreicht hat, die seine Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, ausgeschaltet hat. Stellen Sie sich vor, Sie könnten zusehen, wie sich Ihre Haut schwärzt, wie Ihr Fettgewebe Blasen schlägt und zerfließt wie Wasser. Stellen Sie sich vor, dass Ihre Qual nicht ausreicht, um Ihr Denken auszuschalten oder Ihnen die segensreiche Flucht in die Bewusstlosigkeit zu ermöglichen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten stattdessen bei dem bleiben, was mit Ihnen geschieht, was unablässig geschieht, so lange Ihre Peiniger es dauern lassen. Ist das besser? Oder schlimmer?«
    Ich beendete Skyes grauenhafte Vorstellung. »Trotzdem sprichst du nur von dem Nervensystem eines K'cenhowten. Würde sich die Klaue Gottes auf das Nervensystem eines Bocai oder eines Menschen genauso

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