Die dritte Sünde (German Edition)
Stallmeister durchaus keine Pflichtvergessenheit bescheinigen würde, hütete sich aber auf den Vorwurf seines Herrn zu antworten.
»Ach, Mr Havisham«, Mr Green lachte herzlich, »wenn die Katze nicht im Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch, das ist doch überall das Gleiche.«
Der Hausherr schien davon nicht allzu überzeugt. Seine Augen blitzten weiterhin wütend.
»Ach, kommen Sie, Havisham!«, setzte Mr Green noch einmal an, »lassen Sie es gut sein. Ihr Stallmeister ist, wie man sieht, ein hübscher Bursche, dem das Weibsvolk wohl kaum widerstehen kann. Wer sollte ihm das eine oder andere Schäferstündchen verdenken? Man war doch auch einmal jung!«
Havisham war nun geneigt einzulenken. Würde er nun auf einer Disziplinierung des Stallmeisters beharren, könnte ihn das in Misskredit gegenüber Green bringen, allerdings würde er sich Stutter zu einer anderen Gelegenheit noch einmal vorknöpfen. Er war weit davon entfernt, so ein Verhalten bei seiner Dienerschaft zu dulden. Sollte es sich bei dem Weib um eine der Mägde handeln, würde auch diese noch ihr blaues Wunder erleben. »Dass mir das nicht noch einmal vorkommt, Stutter!«, drohte er. »Mit wem treibst du dich da überhaupt herum im Heu? Antworte gefälligst!«
Aaron biss sich auf die Lippen und blickte unsicher von einem zum anderen. »Sir, ich möchte lieber nicht …«
»Antworte!«, herrschte ihn sein Arbeitgeber an. Aaron musste sich schnell etwas einfallen lassen. Die Wahrheit stand außer Frage. Ebenso wäre es eine schlechte Lüge, eine der Mägde zu benennen, womöglich würde Havisham der Sache auf den Grund gehen wollen.
»Ein Mädchen aus dem Dorf, Sir!«, behauptete er deshalb aufs Geratewohl und setzte einer Eingebung folgend hinzu, »bitte, Sir, lassen Sie es dabei bewenden. Der Vater weiß selbstverständlich nichts davon.«
Die beiden Begleiter seines Herrn konnten ihr Feixen kaum mehr verbergen. Auch Mr Havisham schien zu spüren, dass es nun an der Zeit war, die Dinge ruhen zu lassen. Streng gab er Aaron Anweisung, die Gäste durch die Stallungen zu führen und ihnen vor allem das Fohlen zu zeigen. Aaron beeilte sich, dem Befehl augenblicklich Folge zu leisten. Es war ihm gerade noch einmal gelungen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, doch musste er ab jetzt damit rechnen, dass Havisham ihn vielleicht etwas genauer beobachtete. Es war gewiss noch mehr Vorsicht geboten. Die Frage war allerdings, ob Isobel die Notwendigkeit dazu auch sehen würde. Hoffentlich gelang es ihr, rechtzeitig ins Haus zurückzukehren und sich umzuziehen, bevor ihr Gatte nach ihr verlangte. Aaron gab sich alle Mühe, die Dinge in die Länge zu ziehen, um ihr genügend Zeit zu verschaffen, die sie hoffentlich zu nutzen wusste.
Kapitel 48
Isobel hatte sich schnell ihre Kostümjacke und den Rock übergeworfen, ihre Unterwäsche zusammengeklaubt und unter der Jacke versteckt und war flugs ins Haus geeilt, sobald sie hörte, dass Havisham mit Aaron sprach. Sie konnte sich ein Lachen kaum verbeißen. Havisham, dieser Narr! Wie mühelos konnte sie ihn an der Nase herumführen. Und er stand dort im Stall, kehrte den gestrengen Hausherrn heraus und ahnte nicht einmal im Traum, dass seine eigene Gattin es vor seinen Augen mit dem Stallmeister trieb. Sie empfand ein seltsames Prickeln bei der Vorstellung, von ihm ertappt zu werden. Ob er sie dann schlagen würde? Isobel wischte den Gedanken beiseite. Immerhin hätte eine Entdeckung ihres Treibens vor allem für Aaron mit Sicherheit fatale Folgen. Darauf wollte sie es nicht ankommen lassen. Noch hatte sie zu viel Spaß mit ihm.
Über einen Seiteneingang des Herrenhauses, der vom Stalltor aus nicht einsehbar war, eilte sie hoch in die ehelichen Gemächer. Ein kurzer Zug an der Klingelschnur und Cathy eilte atemlos aus der Waschküche herauf. Isobel warf ihre Kleider achtlos zu Boden – Cathys schockierten Blick nicht beachtend –, stürmte in ihr Bad und schlug die Tür hinter sich zu. Sie beglückwünschte sich einmal mehr dazu, nun über einen eigenen separaten Raum zum Baden wie zum Ankleiden zu verfügen. Havisham würde hier nicht eindringen und sie konnte ihm glaubhaft weismachen, sich ihrer Schönheitspflege zu widmen. Kurze Zeit später hörte sie, wie er tatsächlich das eheliche Schlafzimmer betrat.
»Cathy, wo ist deine Herrin? Ich bin mit Gästen hier und wünsche, dass sie diese in Empfang nimmt.« Havishams Stimme klang immer noch leicht gereizt. Isobel biss sich in die Hand, damit ihr
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