Die dritte Sünde (German Edition)
sie doch über die Schwelle tragen wollen! »Warte doch, Cathy!«, rief er. Doch obwohl sie ihn sicher gehört hatte, huschte Cathy schnell ins Innere des Farmhauses, gerade als wolle sie diese ehrwürdige und durchaus bedeutsame Tradition um jeden Preis umgehen. Mit sehr gemischten Gefühlen folgte er ihr. Jäh stieg in ihm die üble Befürchtung auf, dass die der Trauung folgende Hochzeitsnacht noch erhebliche Probleme aufwerfen würde. Isobel stand immer noch wie eine Wand zwischen ihnen. Aaron schluckte schwer, und eine beängstigende Mischung aus Beklommenheit und heftigem Überdruss machte sich in ihm breit. Nervös betrat er das Farmhaus. Wie er es befürchtet hatte, fuhr Cathy erschrocken herum, als sie ihn hörte. Ihr Blick flackerte unstet. Er streckte beruhigend die Hände aus und macht einige Schritte auf sie zu.
»Willst du nicht den Mantel ablegen?«, fragte er.
Immer noch blickte sie ihn geradezu verstört an, doch dann nestelte sie mit fahrigen Bewegungen an der Kordel ihres Umhangs herum. Der Anblick ihrer Hände, die sich an ihrer Kleidung zu schaffen machten, verwirrte ihn heftig auf eine seltsame Art, steigerte seine Anspannung und Nervosität ins Unerträgliche und jagte heiße Schauer durch seinen Körper.
»Warte, ich helfe dir!«, sagte er rau und kam auf sie zu.
Sie wich geradezu panisch vor ihm zurück und stieß dabei rücklings an den groben Holztisch, der in der Nähe des gemauerten Ofens stand. Von dort ging eine glühende Wärme aus. Einem plötzlichen jähen Impuls gehorchend, folgte er ihr, presste sich an sie und nahm ihr Gesicht in seine Hände. Sie konnte nicht mehr ausweichen. »Cathy, liebst du mich denn nicht?«, flüsterte er. Das Begehren erfasste ihn nun mit Macht. Der Duft, der von ihr, von ihrem herrlichen Haar ausging, betörte ihn. Er hatte so lange schon gewartet, er ertrug es nicht länger. Verlangend senkte er seine Lippen auf die ihren und küsste sie leidenschaftlich, kaum mehr Herr seiner Sinne. Cathy war doch nun rechtmäßig seine Frau, oder etwa nicht? Er spürte, wie sie erstarrte. Dann begann sie plötzlich, sich gegen ihn zu wehren.
»Aaron, nein! Bitte nicht!«
Da stieg ein gewaltiger, glühender Zorn in ihm auf, bemächtigte sich seiner wie ein tödliches Gift. »Warum?«, schrie er. »Warum willst du mich denn immer noch nicht? Bin ich nicht dein Mann?«
Entsetzt starrte sie ihn an. »Ich kann nicht!«, stammelte sie. »Wegen Isobel!«
»Verflucht!« Aaron geriet nun völlig außer sich. »Ich will von diesem gottverfluchten Weib nichts mehr hören! Ich will nicht!« Rasend in seinem Zorn und seiner Hilflosigkeit griff er sich einen der altersmorschen Holzstühle, die beim Tisch standen, und warf ihn von sich – wie im Irrsinn. Mit Getöse zerbrach das Möbelstück an der gegenüberliegenden Wand. Das Bersten des Holzes mischte sich mit seinen wütenden Schreien. Da floh sie voller Angst vor ihm, rannte, die Tür hinter sich zuschlagend, aus dem Haus und ließ ihn zurück in seiner tobenden Wut.
Kaum hatte Cathy ihn verlassen, wurde Aaron bewusst, was er gerade verbrochen hatte. Seine wahnsinnige Wut wandelte sich unversehens in Fassungslosigkeit. War er denn völlig verrückt geworden? Die Trümmer des Stuhles an der Wand klagten ihn unerbittlich an. Es war ihm, als starre er in den Abgrund der Hölle, als hätten die Dämonen – Dämonen mit der Fratze Cecil Turners – endgültig Besitz von ihm ergriffen! Panische Angst erfasste ihn, würgte ihn und nahm ihm die Luft zum Atmen. Nein! Das durfte nie wieder geschehen! Nie wieder durfte er so die Beherrschung verlieren! Alles, nur das nicht! Schnell lief er zur Tür und auf den Hof hinaus. »Cathy!« Seine Stimme überschlug sich. Der Sturm riss den Ruf von seinen Lippen. Da sah er, dass die Stalltür, die er vorher fest geschlossen hatte, einen Spalt offenstand. Ob sie in den Stall gelaufen war? Er rannte hinüber und drückte leise die Tür ganz auf.
Im Dämmerlicht des Stalles hoben sich die Leiber der Tiere unscharf von der sie umgebenden Dunkelheit ab. Aaron lauschte und meinte, neben dem Atmen und Schnauben des Viehs und dem Klagen des Windes ein unterdrücktes Weinen zu hören. Da griff er nach der Stalllaterne, die am Haken neben der Tür hing und entzündete sie. Gestört hoben die Tiere den Kopf, die Schafe im niedrigen Verschlag neben dem Strohlager drängten sich verängstigt zusammen und gaben im Schein der Laterne den Blick frei auf Cathy, die sich dorthin ins Stroh verkrochen
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