Die dritte Sünde (German Edition)
den starken Drang, im Liebesspiel grob zu werden, hatte diese Neigung aber bisher selbstverständlich sorgsam vor Isobel verborgen. Das gehörte gewiss nicht in ein eheliches Schlafzimmer, allenfalls in die Hinterzimmer von Bordellen, die er deshalb auf seinen Geschäftsreisen auch regelmäßig aufsuchte. Doch dann wischte er den verlockenden Gedanken schnell wieder beiseite. Das war einfach keine Option. So etwas tat ein Gentleman nicht mit seiner Ehefrau.
Allerdings, es war sehr angeraten, sie nicht mehr so oft allein zu lassen. Sonst würde sie ihm noch mehr Widerstand entgegenbringen. Dem galt es, schnell einen Riegel vorzuschieben. Sie würde ihn ab jetzt begleiten, wohin er auch ging, beschloss er. Zumindest so lange, bis sie hoffentlich endlich schwanger würde und dann gewiss keine Zeit mehr für Eskapaden welcher Art auch immer fand. Die dringend notwendige Reise nach London würde sie also schon morgen mit ihm antreten. Eigentlich hatte er Isobel nachkommen lassen wollen, sobald er ein geeignetes Haus in der Stadt gefunden hatte, da er einen längeren Aufenthalt plante, mindestens bis zur Nominierung der Wahlkandidaten im Frühjahr. Doch angesichts ihrer Widerspenstigkeit war er gezwungen zu handeln. Zumal er ihre Verwandtschaft mit dem Earl of Branford und den noch vorhandenen Liebreiz ihrer Jugend bei seinen potenziellen Parteifreunden zu nutzen gedachte.
»Nun gut, Isobel. Ich denke, es ist das Beste, du gehst nach oben und ziehst dich um«, meinte er deshalb mit wesentlich ruhigerer Stimme. »Wir sehen uns zum Dinner, ich habe dir dann noch einige wichtige Neuigkeiten mitzuteilen.«
Isobels erstaunten Blick bewusst ignorierend, wartete er ab, bis sie gegangen war. Dann machte er sich eiligen Schritts auf den Weg zu Grubers Arbeitszimmer. Sollte sie auf seinen Worten ruhig eine Weile herumkauen! Dass er sie in seine Pläne einweihte, hatte sie nun wirklich nicht verdient. Sie würde es früh genug erfahren. Er entdeckte den Verwalter auf halbem Weg in den Ostflügel. »Ah, Mr Gruber, auf ein Wort«, rief er. Gruber drehte sich sofort um und wartete, bis Havisham herangekommen war.
»Sir?«
»Mr Gruber, angesichts der jüngsten Umstände, die sich während meines Aufenthaltes in Trowbridge ergeben haben, bin ich geneigt, für eine gewisse Zeit nach London zu übersiedeln. Deshalb sollten wir das Notwendige für die Zeit meiner Abwesenheit noch heute Abend klären. Die Zeit drängt leider«, teilte ihm Havisham in sachlichem Tonfall mit. Gut, dass er Gruber so schnell eingestellt hatte. So stand einem Umzug nach London, zumindest was seine Verpflichtungen als Gutsherr betraf, nichts im Wege.
»Selbstverständlich Sir«, sagte dieser höflich. Mit keiner Regung seiner Miene verriet er, dass er, obwohl er sich entfernt hatte, doch noch unfreiwilliger Zeuge der Auseinandersetzung der Herrschaften geworden war. Mr Havisham war wirklich zu bedauern. Die junge Herrin war in der Tat ein launisches und unbotmäßiges Geschöpf, das eine Plage für jeden Ehemann darstellte. Gruber war sich außerdem inzwischen sicher, dass sie ihrem Mann Hörner aufsetzte – und zwar mit Aaron Stutter.
Kapitel 62
Aaron erwachte spät am Morgen und stellte im nächsten Atemzug fest, dass Cathy nicht bei ihm lag. Wo war sie hingegangen? Ihre Abwesenheit schmerzte ihn wie der Verlust eines Körperteils. Sie waren sich in der letzten Nacht so unendlich nah gewesen. Sie hatten sich wieder und wieder geliebt, waren völlig eins miteinander geworden. Er konnte es sich einfach nicht mehr vorstellen, auch nur einen einzigen Augenblick ohne sie zu sein. Schnell schlug er die Decke zur Seite, die noch zart nach ihr duftete, und sprang auf. Sie hatte ihn offenbar schlafen lassen und war aufgestanden, um das Vieh zu versorgen. Hastig schlüpfte er in seine Kleidung, warf sich die Filzjacke über und lief hinüber zum Stall, wo ihm das Muhen und Blöken der Tiere verriet, dass er mit seiner Vermutung recht hatte.
Die meiste Arbeit war schon getan, wie er mit schnellem Blick bemerkte. Cathy stand, die Heugabel in den Händen, drüben bei den Schafen und gab ihnen Heu in die Raufe. Sie trug Holzpantinen und hatte den langen Rock an den Seiten hochgeschlagen und in den Bund gesteckt, damit er nicht vom Dung beschmutzt wurde.
»Guten Morgen, Aaron!«, begrüßte sie ihn fröhlich. Ein weiches Lächeln umspielte ihre Lippen und ihre Augen strahlten. In seidigen Wellen floss ihr Haar weit über ihre Schultern. Ein paar Strohhalme lugten
Weitere Kostenlose Bücher