Die dritte Sünde (German Edition)
war in allen Bereichen bestätigt worden und selbst seine Kritiker hatten sich inzwischen damit abgefunden. Bei einem erfolgreichen Wahlergebnis winkten ihm sogar einige der Ämter, die Baker krankheitshalber (das war die offizielle Version, Green hatte natürlich alles daran gesetzt, diese auch entsprechend zu propagieren) aufgegeben hatte. Green hatte sich auch beflissen und sehr öffentlichkeitswirksam um eine angemessene medizinische Versorgung für Baker bemüht. Das, so hatte Green bei jeder sich bietenden Gelegenheit verkündet, sei man einem verdienten Parteifreund schießlich schuldig. Man hatte eine Pflegerin gefunden, die sich nun um Mr Baker kümmerte und die Schwiegertochter entlastete. Bakers Zustand hatte sich, wie der Arzt es prophezeit hatte, nicht sehr gebessert. Er war halbseitig gelähmt, lag die meiste Zeit im Bett und konnte zwar verstehen, was man zu ihm sagte, aber nicht mehr verständlich antworten. Er behalf sich – so hatte Green, der den Kranken aufgesucht hatte, berichtet – mit dem Schreiben kleiner Zettel. Auch beherrschte Meredith Baker wohl in hohem Maße die schwierige Kunst, ihrem Schwiegervater jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Schlimm war, wie es schien, nur die finanzielle Situation der Bakers. Vermutlich würde die Fabrik bald verkauft werden müssen. Zwar hatte Baker selbstverständlich einen Geschäftsführer, aber solange der Inhaber außerstande war Entscheidungen zu treffen – und es sah nicht so aus, als würde dies je wieder der Fall sein –, war die Weberei auf Dauer nicht mehr konkurrenzfähig. Wieder einmal dachte Havisham darüber nach, ob er Bakers Fabrik nicht über einen Treuhänder erwerben sollte. Zu einem Verkauf an ihn direkt würde Baker, so angeschlagen er auch war, sicher nie seine Zustimmung geben. Aber wenn er seine Beteiligung verschleierte …? Vielleicht konnte er dann einen Teil seiner Schuld an der bedauerlichen Entwicklung wieder gutmachen. Das wäre vielleicht auch eine gute Maßnahme für seinen Seelenfrieden. Er würde einen anständigen, vielleicht sogar einen überhöhten Preis dafür zahlen und vor allem dafür sorgen, dass das Geld auch Meredith Baker zugutekäme. Die Vorstellung, dass diese durch seine Schuld – und ganz allein mit der Last des missratenen Ehemanns und kranken Schwiegervaters konfrontiert – auch noch in Armut und Schulden versinken würde, war ihm einfach unerträglich. Vielleicht würde sie ihm dann auch verzeihen können. Ihr anklagender und ängstlicher Blick verfolgte ihn immer wieder bis in seine Träume … wie auch die Erinnerung an ihren zarten Körper in seinen Armen.
Havisham schüttelte den Kopf, räusperte sich und rief sich zur Ordnung. Er tat gut daran, sich diese Erinnerung aus dem Kopf zu schlagen. Das alles schwächte auf Dauer seine Entschlusskraft. Was war nur mit ihm los? Begann er etwa weich zu werden? Dann konnte er seine Kandidatur gleich vergessen. Harte, anstrengende Wochen standen ihm bevor. Anstrengend vor allem im Hinblick auf seine Ehefrau. Heute hatte er sich schon in den Morgenstunden wieder heftig mit ihr gestritten. Sie war daraufhin in ihre Räume gerannt und hatte Whitefell kurze Zeit später hoch zu Ross verlassen. Dabei hatte er sie ausdrücklich darum gebeten, an der Unterredung mit Gruber teilzunehmen, da die nächsten Wochen auch hinsichtlich der vielen Termine durchgeplant werden mussten. Bei etlichen dieser Wahlveranstaltungen sollte sie ihn ja begleiten. Aber wie es den Anschein hatte, war ihr diese Verpflichtung als Ehefrau herzlich egal, ja, sie sah es sogar als unverschämte Forderung an, der sie keinesfalls Folge zu leisten gedachte. Sie wurde immer aufsässiger. Er befürchtete ernsthaft, sie könnte ihn in ihrer launischen Unbeherrschtheit bei wichtigen Wahlveranstaltungen oder aber bei anderen gesellschaftlichen Anlässen bloßstellen. Es war wirklich an der Zeit, dem einen Riegel vorzuschieben, wenn es sein musste mit Gewalt. Weiß Gott, er hatte sich die Ehe mit diesem Kind wirklich leichter vorgestellt! Doch Isobel de Burgh schaffte es in ihrer Rolle als Mrs Havisham, ihm seine Tage gründlich zu vergällen. Zorn stieg in ihm hoch. Er würde sie sich nachher noch einmal gründlich vorknöpfen. Vielleicht sollte er ihr zunächst einmal die großzügigen Geldbeträge, die er ihr für ihre Kleider und anderen Tand zur Verfügung stellte, empfindlich zusammenstreichen. Vermutlich würde das ihre Launenhaftigkeit fürs Erste ein wenig im Zaum halten.
Plötzlich
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