Die dritte Sünde (German Edition)
geschlagen. Gewiss, es war pure Notwehr gewesen, aber das würde keinen Richter interessieren und Isobel würde es schon verstehen, die Dinge in ihrem Sinne zu verdrehen. Sie war nicht nur verrückt, sondern leider auch schlau und intrigant.
Da begann Cathy mit einem Mal stärker zu stöhnen, unüberhörbar mischte sich Panik in ihren stoßweise austretenden Atem. »Cathy?«, fragte er ängstlich, »was ist denn nur? Sprich doch mit mir!« Statt einer Antwort richtete sie sich halb auf und schlug mit bebenden Händen ihre Röcke zurück. Entsetzen ergriff auch ihn bei dem Anblick, der sich ihm bot. Ein Strom von Blut trat unaufhaltsam zwischen ihren Beinen hervor und färbte Röcke und Laken rot. Sie begann zu schreien, außer sich vor Angst. Auch er war kurz davor in Panik auszubrechen, aber er wusste mit absoluter Gewissheit, dass es jetzt darauf ankam, dass er einen klaren Kopf behielt.
»Cathy, du musst dich beruhigen!«, sagte er bestimmt, packte sie bei den Handgelenken und zwang sie, ihn anzusehen. »Ich bringe dich zu Martha. Jetzt sofort! Sie wird wissen, was zu tun ist. Verstehst du mich?« Sie starrte ihn an, ihr Schreien verstummte abrupt. Sie war offenbar kaum mehr in der Lage, die Bedeutung seiner Worte zu erfassen. Er hob sie rasch mitsamt dem blutigen Bettzeug auf die Arme und trug sie so schnell er konnte aus dem Haus und hinüber zum Pritschenwagen, der im Hof stand. Dort legte er sie auf die Ladefläche und versuchte, ihr mit ein paar Schaffellen ein wenig Annehmlichkeit zu verschaffen. Doch er wusste genau, er hatte keine Zeit. Sie mussten Martha erreichen, bevor es zu spät war. Er stürzte hinaus zur Weide hinter dem Stall, um den Braunen zu holen und in fliegender Hast vor den Wagen zu spannen. Obwohl ihm die Angst um Cathy und das Kind fast den Verstand raubte, gelang ihm das in kürzester Zeit. Dann sprang er auf den Kutschbock, warf noch einen prüfenden Blick auf seine Frau, die mit geschlossenen Augen und wieder leise wimmernd auf der Ladepritsche lag, wandte sich dann um und gab dem erschreckten Arbeitspferd die Peitsche.
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»Aaron Stutter, solltest du deine Frau in dieser Weise zugerichtet haben, wirst du mich kennenlernen!« Martha funkelte ihn böse an. Eben war sie aus ihrer Kate getreten, nachdem sie sich zunächst um Cathy gekümmert hatte. Der Braune troff noch immer vor Schweiß und zitterte, so sehr hatte Aaron ihn hergenommen und die sechs Meilen bis zu Marthas kleiner Hütte am Rande des Dorfes in kürzester Zeit zurückgelegt. Zum Glück war Martha tatsächlich zu Hause gewesen. »Was ist mit ihr?«, fragte Aaron, ohne auf Marthas anklagende Worte einzugehen. »Sie wird doch überleben?«
»Ich hoffe es!«, sagte Martha mit finsterem Blick. »Ich tue, was ich kann. Sie blutet immer noch. Das Kind werde ich nicht retten können. Es wird eine Fehlgeburt, es tut mir leid. Aber ich hoffe, ich kann Cathy das Leben erhalten. Ich habe ihr Kräuter gegeben, die die Wehen vorantreiben. Nur wenn sie die absterbende Frucht in ihrem Leibe schnell loswird, wird sie überleben können. So hoffe ich zumindest.«
Aaron biss die Zähne zusammen und blickte schnell zu Boden. Tränen sammelten sich hinter seinen Lidern. Seine Stimme schwankte unsicher, als er fragte: »Sie verliert das Kind?«
Martha nickte. »Es gibt keine andere Möglichkeit. Es tut mir wirklich leid, Aaron. Aber nun will ich wissen, was da vorgefallen ist. Ihr Bauch ist rot und blau von Tritten. Das Kind ist ihr buchstäblich aus dem Leib getreten worden. Und dann diese Spuren von Peitschenhieben überall! Ich bin nicht blind, Aaron Stutter. Jemand hat Cathy schwer misshandelt und wenn du es gewesen bist, dann gnade dir Gott.«
»Sie hat es dir nicht erzählt?«
Martha schüttelte den Kopf. »Sie ist immer noch wie erstarrt vor Furcht. So hat sie auch schon früher reagiert, das ist wohl ihre Art. Aus ihr ist nichts herauszubekommen. Also will ich es von dir wissen. Und ich rate dir, mir die Wahrheit zu sagen.«
»Isobel Havisham! Das war Isobel Havisham!«, presste Aaron mühsam hervor. Das alles war ein Albtraum. Wie hatte das nur geschehen können?
»Isobel Havisham?« Martha schüttelte ungläubig das graue Haupt. »Wie kann das sein? Was hat sie noch mit euch zu tun? Ich denke, sie ist noch in London.«
»Nein, Nicht mehr!«, sagte Aaron mit erstickter Stimme und blickte Martha wieder in die Augen. Das alles war unerträglich. »Bitte, kann ich zu Cathy?«
Einen Augenblick lang zögerte die ältere Frau,
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