Die dritte Sünde (German Edition)
aufgeregte Stimme – es war ihr, als ob zwei Menschen miteinander rangen – sie wusste es nicht zu sagen – dann wurde es dunkel.
Kapitel 66
»Fort von ihr! Lass sie in Ruhe!« Aarons Stimme überschlug sich. Von Ferne hatte er den Schimmel mit seiner schlanken Reiterin beobachtet, der sich auf das Haus zubewegte, und war augenblicklich losgerannt, als er Isobels kreischende Stimme hörte. Doch er kam zu spät. Schockiert, fassungslos sah er, dass Isobel wie von Sinnen auf Cathy einschlug. Cathy lag am Boden und rührte sich nicht mehr. Da! Sie trat nach ihr, noch einmal und noch einmal! Er schrie auf in hilfloser Angst. Endlich war er nah genug, um die Tobende zu packen. Heftig riss er sie an den Schultern nach hinten und schleuderte sie von sich. Der Länge nach fiel sie in den Dreck. Es kümmerte ihn nicht weiter. Panisch warf er sich neben seiner Frau auf die Knie. War sie tot?
Da war Isobel wieder über ihm. Sie riss an seinen Haaren, kreischte, spuckte, kratzte, als wäre sie völlig wahnsinnig. Grob wehrte er sie ab, damit sie von ihm abließ, doch sie ließ sich einfach nicht abschütteln.
Da schlug er nach ihr.
Seine Faust traf sie mitten ins Gesicht. Blut schoss aus ihrer zierlichen Nase hervor und sie taumelte zurück. Auch ihre Oberlippe blutete. Der Schmerz schien sie offenbar endlich zur Besinnung zu bringen. Schwer atmend starrte sie ihn an.
Aaron wandte sich von ihr ab. Was war mit Cathy? Gott sei Dank, sie atmete noch, begann sich jetzt auch wieder zu bewegen.
»Cathy!«, flehte er, »Sag was! Sprich mit mir!« Er hatte solche Angst.
»Es geschieht ihr recht, der falschen Schlange. Diese Hure!«, keifte Isobel. »Sie hat mich hintergangen! Sie …«
Zornbebend fuhr Aaron herum. »Schweig!«, schrie er, völlig außer sich. »Hast du uns noch nicht genug angetan, du Biest? Wie kannst du es wagen, noch hierherzukommen? Was hast du noch hier zu suchen? Verschwinde, bevor ich dir antue, was du ihr angetan hast!«
Isobel starrte ihn völlig entgeistert an. »Aaron? Was soll das? Was willst du denn mit diesem dummen Schaf? Weißt du nicht mehr, wie viel Spaß wir miteinander hatten?«
Aaron spuckte aus und ballte die Fäuste. Was war sie ihm verhasst! Wenn sie noch einen Augenblick länger hierblieb, dann würde er vermutlich nicht mehr an sich halten können. »Spaß?«, keuchte er. Die Wut raubte ihm fast den Verstand. »Du glaubst, ich hatte Spaß ? Nicht eine Sekunde, Isobel, das schwöre ich dir, so wahr ich Aaron Stutter heiße. Du widerst mich an, hast es immer schon getan! Cathy war es, die ich wollte, für die ich mich vor dir erniedrigt habe, vom ersten Tag an. Cathy, niemand anders! Die Hure bist du, Isobel Havisham! Und ich verfluche den Tag, an dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe!«
Da endlich schien Isobel die Wahrheit zu dämmern. Ihr Gesicht verhärtete sich und sie richtete sich stolz auf. »Das hast du nicht umsonst gesagt, Aaron Stutter! Das wird Folgen haben, das schwöre ich!«
Aaron hörte kaum hin, er hatte sich wieder neben die stöhnende Cathy gekniet und nahm sie nun schützend in den Arm. Isobel wischte sich das Blut ab, das ihr übers Kinn lief. Dann wandte sie sich wortlos um, bestieg ihren Schimmel und ritt davon.
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Horace Havisham klappte die Bücher zu, die ihm Mr Gruber zur Überprüfung vorgelegt hatte. Alles war peinlich sauber und zu seiner vollsten Zufriedenheit erledigt und dokumentiert. Der Mann war wirklich ein wahrer Glücksgriff. Das Gut war besser geführt, als es das je zu Zeiten von Francis de Burgh der Fall gewesen war. Der Verwalter kostete ihn zwar eine Stange Geld, doch warf Whitefell unter seiner Leitung auch – wie es in den Büchern in erfreulichen Zahlenkolonnen dokumentiert wurde – deutlich mehr Gewinn ab als früher. Das überwog die Ausgaben bei Weitem. Trotzdem war Havisham nicht so zufrieden, wie er es hätte sein können. Seit jenem Vorfall im Hause Baker verspürte er eine tiefe Verunsicherung, die er bisher nicht an sich gekannt hatte. Er scheute davor zurück, dieses Gefühl beim Namen zu nennen, aber wenn ihn, wie häufiger in den letzten Wochen, Schlaflosigkeit plagte und er sich in seinem Bett hin und her wälzte, wusste er nur zu gut, dass es sein Gewissen war, das ihn drückte. Als hätte Meredith Baker mit ihrer zarten, weißen Hand eine Tür in seinem Inneren geöffnet, die er bisher sorgsam verschlossen gehalten hatte.
Sicher, er konnte eigentlich stolz darauf sein, was er erreicht hatte. Seine Kandidatur
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