Die dritte Sünde (German Edition)
wurde die Tür zu seinem Arbeitszimmer aufgerissen und der Gegenstand seiner wenig freundlichen Überlegungen stand schwer atmend und in einem fürchterlichen Aufzug im Raum. Entgeistert starrte Havisham seine Frau an. Was um Himmels willen war nun schon wieder vorgefallen? Offenbar hatte sie einen kräftigen Hieb ins Gesicht bekommen. Spuren von getrocknetem Blut klebten ihr noch an Nase und Lippen. Ihre Kleidung war vollkommen verdreckt, als ob sie gestürzt wäre.
»Was um alles in der Welt …?«, keuchte er bestürzt. »Bist du etwa vom Pferd gefallen?«
Ohne ihm auf seine Frage zu antworten, kam Isobel, das Gesicht zu einer wütenden Fratze verzerrt, auf ihn zu und ließ ihre Peitsche mit einem scharfen Zischen auf den Schreibtisch niedersausen.
»Ich wünsche, dass du sofort die Polizei kommen lässt!«
»Die Polizei?« Havisham traute seinen Ohren kaum. Was war da nur geschehen? »Bist du etwa überfallen worden auf unserem eigenen Grund und Boden? Du siehst fürchterlich aus, wenn ich das sagen darf!«
»Ja, überfallen … und zwar von Aaron Stutter, deinem ehemaligen Stallmeister!«
»Von Aaron Stutter? Entschuldige Isobel, aber das kann ich kaum glauben! Er mag ein Weiberheld sein, aber dumm ist er doch nicht. Warum um alles in der Welt sollte er so etwas tun? Er hat doch gar keinen Grund dazu!« Zweifelnd sah Havisham seine junge Frau an. Wieder keimte in ihm ein Verdacht auf, der ihm schon an jenem Tag im November vor ihrer Abreise nach London gekommen war. Diese häufigen und völlig unnötigen Besuche seiner Gattin auf der Pennywood Farm hatten vielleicht noch einen anderen Grund als nur die angebliche freundschaftliche Verbundenheit zu ihrer ehemaligen Spielkameradin und Zofe. Diese alberne Geschichte hatte er ihr ohnehin nie geglaubt. Isobel empfand bestimmt für niemanden freundschaftliche Zuneigung, außer für sich selbst. »Also wirklich, Isobel, entweder tischst du mir hier eine freche Lüge auf, oder aber ich fürchte, du hast dich wieder an dieser Cathy vergriffen und die hat dir diese Blessuren zugefügt. Ich will nicht hoffen, dass dem so ist. Das kann ich nicht dulden. Ich habe mich um meinen Ruf zu kümmern und ich werde nicht zulassen, dass du ihn durch deine Eskapaden beschädigst.«
Isobel wechselte von einer Sekunde auf die andere vom Zustand kalter Wut in schrilles Keifen. »Ist das alles, was du dazu zu sagen hast? Schau mich an! Er hat mich angefasst und geschlagen! Ich verlange, dass er dafür zur Rechenschaft gezogen wird.« Wütend schlug sie erneut mit der Peitsche auf seinen Schreibtisch. Die Gerte traf das Tintenfass. Die schwarze Flüssigkeit spritzte über einige ausgebreitete Schriftstücke und beschmutzte auch Havishams wie immer exquisite Kleidung. Das Blut wich ihm aus den Wangen und er sprang auf, bebend vor Zorn. »Isobel, das reicht jetzt endgültig! Ich habe deine Launen satt! Ich glaube dir kein Wort! Nimm dich zusammen oder du wirst meine Hand zu spüren bekommen.«
Sie lachte schrill, fast irre. »Du bist mir ein schöner Ehemann! Ein schmutziger Bauer fasst deine Frau an und es kümmert dich nicht einmal.«
»Isobel, nimm dich in Acht!«
»Ha, was willst du mir denn tun? Ich werde schreien, dass es das ganze Haus hört. Ich will, dass dieser Stutter verhaftet wird. Und wenn du dich nicht darum kümmerst, werde ich persönlich zur Polizei gehen und ihnen auch erzählen, dass es meinen Mann, den ehrenwerten Mr Havisham, nicht kümmert, wenn seine Frau von einem dahergelaufenen Kerl verprügelt wird.« Sie starrte ihn böse an, öffnete dann den Mund und setzte zu einem durchdringenden Schreien an.
Plötzlich war ihm, als ob etwas in ihm riss. Der Anblick ihres aufgerissenen Mundes, an dem noch Reste von Blut klebten, machte ihn verrückt. Sein Verstand, seine sonstige kühle Besonnenheit ließ ihn völlig im Stich, in seinen Adern begann es zu kochen. Er fühlte unbändigen Zorn, Überdruss und gleichzeitig eine starke Erregung. Eine Erregung, die ihm weiß Gott nicht fremd war, die er aber sonst sorgfältig vor dem Licht des Tages verbarg. Er konnte sich nicht dagegen wehren, wollte es plötzlich auch nicht mehr. Sein Zorn mischte sich mit Gier. Es war genug. Er würde ihr zeigen, wer ihr Herr und Meister war, jetzt sofort! Er würde ihr endlich geben, was sie verdiente.
Mit wenigen raschen Schritten war er um den Tisch herum und packte sie mit einer Hand am Arm. Sie schrie noch immer. Da holte er mit der anderen Hand aus und verabreichte ihr einige
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