Die dritte Sünde (German Edition)
sehen, das mich abwirft!« Dabei streifte Aaron ein Blick aus ihren hellblauen Augen. »Aber wenn du dir solche Sorgen um mich machst, kann ja dein neuer Stallknecht mitkommen und auf mich aufpassen.«
Frederick schnappte überrascht nach Luft. Das war ja wirklich schon Jahre nicht mehr vorgekommen! Aber der Wunsch der Miss war ihm Befehl. Besiegt wandte er sich an Aaron: »Nimm den Grauen, der ist erfahren und wird den Schimmel vielleicht beruhigen. Ich mache solange den Neuen für Miss de Burgh fertig. Aber zuerst bringst du mir noch den Damensattel und das Zaumzeug aus der Kammer. Hast du es gefettet, wie ich dir gestern gesagt habe?« Aaron nickte und ging mit einem ironischen Lächeln auf den Lippen in Richtung der Sattelkammer. Was für eine dumme Frage! Selbstverständlich hatte er das komplette Zaumzeug gefettet. Frederick selbst hatte es gestern wohlwollend inspiziert. Dem Alten war nur daran gelegen, Miss de Burgh zu zeigen, wer immer noch das Sagen im Stall hatte.
Aaron war der überaus interessierte Blick Isobel de Burghs nicht entgangen. Er kannte diesen Blick genau, sah er ihn doch oft genug in den Augen von Frauen jeden Alters, wenn er mit ihnen sprach. Er hatte nun einmal eine besondere Wirkung auf Frauen. Ein Umstand, der ihm – objektiv betrachtet – mehr Probleme als Vorteile einbrachte, obwohl natürlich die Vorteile nicht von der Hand zu weisen waren. Er lächelte flüchtig bei der Erinnerung an die Frau des Müllers, in dessen Mühle bei Shaftesbury er den Winter verbracht hatte. Prall war sie gewesen mit beeindruckenden Brüsten und obwohl sie gut zwölf Jahre älter als er gewesen war, hatte sie gequietscht wie ein junges Ding, als er sie zum Höhepunkt brachte. Er hatte sie den Winter über heimlich im Säckelager geliebt und dabei neben einer hervorragenden Verpflegung auch seinen Spaß gehabt. Leider war irgendwann der Müller dahintergekommen, weil die Augen seiner Frau allzu gierig auf ihm, dem Müllerburschen, geruht hatten. Und wieder einmal hatte er sich auf den Weg machen müssen. Das war wohl sein Schicksal seit … Seine Augen verdunkelten sich, als er an die Geschehnisse dachte, die ihn vor bald neun Jahren von zu Hause fortgetrieben hatten. Er schüttelte unwillig den Kopf. Daran wollte er nicht mehr denken. Er lebte im Hier und Jetzt, und jetzt war es seine Aufgabe, dieses junge Frauenzimmer mit dem nicht zu übersehenden hungrigen Blick auf einen Ausritt zu begleiten. Ihm sollte es recht sein.
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Cathy beobachtete vom Fenster des jetzt kaum noch genutzten Unterrichtszimmers aus, wie Isobel im strahlenden Sonnenschein des noch jungen Frühlingstages in Begleitung des neuen Stallknechts vom Hof ritt. Sie hatte wirklich keine Zeit verschwendet. Nachdem Mr Havisham sich gestern nach dem Tee verabschiedet hatte – er wollte noch am selben Tag in Richtung Portsmouth reiten – hatte Isobel sie ungeduldig in ihre Privaträume gezerrt und ihr wegen ihres wenig kooperativen Verhaltens im Salon heftige Vorwürfe gemacht. Doch Cathy war es schließlich gelungen, sie damit zu besänftigen, dass es ihr nur wichtig gewesen war, dass Isobel ihre gesellschaftliche Einführung nicht gefährde, da sie doch sicher unbedingt an der Krönungszeremonie teilnehmen wolle. Das hatte Isobel schließlich von ihrem aufgeflammten Zorn über Cathys angebliche Eigenmächtigkeit abgelenkt. Nachdem sie sich eine Weile damit aufgehalten hatten, was man zu einem solchen Anlass wohl tragen sollte – denn selbstverständlich befand Isobel, dass sie keinesfalls ein Kleid besäße, das auch nur annähernd der Bedeutung eines solchen Geschehens gerecht würde –, wandte sie sich urplötzlich wieder ihrem eigentlichen Interesse zu. Bald eine Stunde lang quetschte sie aus der schon recht verzweifelten Cathy alles heraus, was diese über Aaron Stutter zu berichten wusste. Nur die Tatsache, dass eben dieser Aaron Stutter nach ihrer Hand gegriffen und nach ihrem Namen gefragt hatte, ließ Cathy geflissentlich unerwähnt.
Das hatte sie später mit roten Wangen ihrem neuen Schreibbüchlein anvertraut und gleich darauf wieder mehrfach durchgestrichen, sodass man es wirklich nicht mehr lesen konnte. Isobel hatte ein Auge auf Aaron Stutter geworfen und somit tat Cathy gut daran, sich jeden wie auch immer gearteten Gedanken an den schönen jungen Mann aus dem Kopf zu schlagen. Sie wandte sich wieder dem Buch mit Beschreibungen der Gegenden Indiens zu, wohl wissend, dass sie, wenn sie großes Glück hatte, es
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