Die dritte Sünde (German Edition)
Fohlens mit Aaron Stutter im Stall herumgetrieben hatte, hatte Isobel mehr als erzürnt, aber weitere Zusammenkünfte hatte sie ja glücklich unterbunden. Leider hatte sie seitdem auch selbst keine Gelegenheit mehr gehabt zu einem Ausritt und damit zu einer weiteren Begegnung mit dem verführerischen Stallknecht. Der am Tage der Geburt des Fohlens einsetzende Regen hatte, ungewöhnlich für den Monat Mai, tagelang angehalten und so war sie gezwungen gewesen, sich mit der bereits ihre Abreise vorbereitenden Miss Hunter und Cathy im Haus zu langweilen. Sie hatte sich die Zeit damit vertrieben, ihre schlechte Laune und Ungeduld an Cathy auszulassen, die dies auch in einer selbst für Cathys Verhältnisse ungewohnten Resignation mit sich geschehen ließ. Ihre einstmalige Spielkameradin war zunehmend ein ärgerlich leichtes Opfer. Es machte einfach keinen Spaß mehr, sie herumzukommandieren. Schließlich hatte sie ihren kleinen Rachefeldzug aufgegeben, da Cathy ihr keinerlei Widerstand mehr entgegensetzte und nur immer stiller wurde. Das begann Isobel bald mehr zu langweilen als Miss Hunter.
Heute aber hatte strahlender Sonnenschein Isobel geweckt, und das hieß zweifelsfrei, dass sie heute wieder in den Stall hinunterkonnte. Immerhin – von Cathy drohte wirklich keine Gefahr mehr. Diese würde es in ihrer derzeitigen Gemütslage bestimmt nicht mehr wagen, auch nur noch ein Wort mit Aaron Stutter zu wechseln. Erwartungsvoll stand sie auf. Ihr Vater bemerkte es nicht einmal. Irgendetwas schien ihn ernstlich zu beunruhigen, aber das sollte heute nicht ihre Sorge sein. Sie hatte Pläne ganz anderer Art.
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Es dauerte nicht allzu lange, bis sie sich mit Rubys Hilfe in das von ihr bevorzugte blaue Reitkleid gezwängt und, Cathy herbeizitierend, in den Stall hinuntergeeilt war. Es blieben ihr noch zwei Tage Zeit – zwei überaus kurze Tage – um zu erreichen, was sie wollte: nämlich, dass Aaron Stutter endlich einen Kuss von ihr forderte und das am besten auf Knien. Sie musste heute alles auf eine Karte setzen. Die Vorstellung, nach London zu reisen, unerfahren wie ein Lämmchen, ohne dieses wichtige Etappenziel erreicht zu haben, war ihr wirklich zuwider. Dann wäre sie ja nicht besser als ihre beiden lächerlichen Cousinen, denen es immer noch nicht gelungen war, geeignete Ehemänner zu ergattern. Bestimmt waren diese beiden hässlichen, dummen Kühe auch noch ungeküsst. Soweit würde sie es nicht kommen lassen! Sie war doch weitaus amüsanter und hübscher. Aaron sollte ihr wenigstens zu etwas Erfahrung in Liebesdingen verhelfen, bevor sie sich auf das öffentliche Parkett wagte, wo es doch ausschließlich darauf ankam, Eindruck auf den männlichen Teil der Gesellschaft zu machen. Zumindest für eine junge, unverheiratete Frau! Und gewiss war Aaron Stutter, wenn auch nur ein Angehöriger der Unterschicht, nicht der schlechteste Lehrer. Er hatte, bei seinem Aussehen und seiner Virtuosität, was das lockende Spiel mit dem anderen Geschlecht anbelangte, zweifellos große Erfahrung in allem, was Männer und Frauen dann auch im Geheimen miteinander trieben. Wenn auch sicher auf eine bäuerlichere und derbere Art als die jungen Männer, denen sie in London zu begegnen hoffte.
Aaron schaute erwartungsvoll auf, als sie und Cathy den Stall betraten. Isobel lächelte siegesgewiss. Das war ein sehr ermutigender Auftakt. Sie war sich sicher, dass es ihr heute gelingen würde, ihr Ziel zu erreichen.
»Hallo Aaron«, sagte sie, als er auf sie zutrat, um ihre Befehle entgegenzunehmen. »Ich hoffe, du hast mich ein wenig vermisst.« Seltsamerweise nahm er das übliche Spiel nicht sofort auf. Sein Blick streifte kurz Cathy, die mit gesenktem Kopf hinter ihr stand, und ein unwilliger Ausdruck trat in seine Augen. Möglicherweise war es auch eine andere Empfindung. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht richtig deuten. Doch noch bevor Isobel Gelegenheit hatte, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen, sah Aaron sie an und lächelte sein freches Lächeln, das sie einerseits jedes Mal ärgerte und ihr andererseits ausnehmend gut gefiel. »Sicher, Miss de Burgh, wir haben Sie alle sehr vermisst, aber ich wusste, wenn die Sonne hervorkommt, werden auch Sie uns – strahlend schön – wieder beehren.«
»Oh, Aaron, so charmant! Ich wusste gar nicht, dass du dich auf Komplimente verstehst.« Sie warf ihm einen koketten Blick zu, den er durchaus aufnahm, wie sie befriedigt bemerkte. Er zwinkerte ihr zu und meinte dann mit einem
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