Die dritte Sünde (German Edition)
Stiefelschäfte peitschend, in der Nähe des Tores stehen, ein Bild unsäglicher Nervosität.
Cathy, die sich ebenfalls dort aufhielt, spürte zwar, dass der Augenblick alles andere als günstig war, aber es war ihre einzige Gelegenheit, mit Mr de Burgh zu sprechen, ohne dass Isobel es sofort mitbekam. Sie musste ihn einfach darum bitten, ihr eine Stelle in einem anderen Haus zu vermitteln. Sie hielt es keinen Tag länger aus in dieser für sie demütigenden und unerträglichen Situation, zu der Isobel sie verurteilt hatte. Die Szene, derer sie eben sowohl Zeuge wie Opfer geworden war, hatte sie einmal mehr tief verletzt. Selbst wenn Aaron sich verständlicherweise von ihr abgewandt hatte … Mussten die beiden ihr heimliches Treffen so schamlos aushandeln, als wäre sie Luft? Ob Aaron sie damit bestrafen wollte? Das war ihm wirklich gelungen. Sein Verhalten kränkte sie mehr als es Isobels Bosheiten in den letzten Tagen vermocht hatten. Viel schlimmer konnte es nicht mehr kommen. Sie wollte so schnell wie möglich fort von Whitefell. Jetzt musste sie einfach die günstige Gelegenheit beim Schopf ergreifen und Mr de Burgh darum bitten, sich für sie einzusetzen.
Zögernd trat sie auf den Herrn von Whitefell zu: »Mr de Burgh, ich möchte Sie nicht von Ihren sicher sehr wichtigen Aufgaben abhalten«, begann sie schüchtern. Noch nie hatte sie von sich aus das Wort an ihn gerichtet in den vergangenen fünf Jahren. Sie verging fast vor Furcht. »Es ist nur … Miss Isobel verlässt uns ja jetzt bald und ich …«
»Was? Ja, ja!« Mr de Burgh war sichtlich nicht bei der Sache. Irgendetwas schien ihn über Gebühr zu beschäftigen.
»Sir, ich hatte gehofft, Sie könnten mich vielleicht, da Miss Isobel mich ja jetzt bestimmt nicht mehr braucht, in ein anderes Haus vermitteln. Ich wäre überglücklich über eine Stelle …« Sie kam nicht weiter. Aaron kam mit dem gesattelten Herzog, Mr de Burghs bevorzugtem Reitpferd, den Gang hinunter. Der Herr des Hauses stürzte ihm hastig entgegen und ließ Cathy stehen, ohne dass diese ihr Anliegen hatte vorbringen können.
Es tat Francis de Burgh ja auch leid, aber er hatte jetzt wirklich keine Zeit, sich um Cathys Bitten zu kümmern. Das war Isobels Angelegenheit, sofern sie noch Gelegenheit dazu hatte. Wenn sich keine Lösung für seine prekären Finanzprobleme fand und zwar schnell, würden weder er noch Isobel überhaupt noch irgendwelche Entscheidungen treffen können. Das würden dann schon seine Gläubiger tun. Er saß wirklich in der Klemme. Schnell hatte er sein Pferd bestiegen und trieb es eilig aus dem Stall. Er wollte zu Havisham, von dem er inständig hoffte, dass dieser sich heute in seinem Haus in Salisbury aufhielt und nicht, wie so häufig, geschäftlich in Portsmouth. Havisham musste ihm Geld leihen und wusste vielleicht auch einen Rat. Es war die einzige brauchbare Idee, die ihm nach der katastrophalen Morgenlektüre eingefallen war. Doch dieses rothaarige Geschöpf ließ sich – ungewöhnlich genug – nicht abschütteln und stellte sich ihm direkt in den Weg. Spielte denn heute die ganze Welt verrückt?
»Sir, bitte, ich möchte doch nur darum bitten, dass ich vielleicht als Dienstmädchen …«
Er hatte jetzt wirklich keine Zeit für derlei Unsinn. »Geh mir aus dem Weg, Mädchen!«, sagte er in einem übermäßig scharfen Tonfall, der ihm gleich darauf schon wieder leidtat. Er hatte ja eigentlich nichts gegen dieses hübsche Kind, aber jetzt eben einfach wichtigere Dinge im Kopf. Versöhnlicher wendete er sich der erschrockenen Cathy zu. »Ich habe im Moment keine Zeit für deine Bitten. Wende dich an Miss Isobel, wenn sie zurückkommt vom Ritt. Sie ist schließlich vor allem deine Herrin. Und nun lass mich vorbei, ich habe wirklich sehr dringende Geschäfte zu regeln.«
Doch Cathy gab noch immer nicht auf: »Aber Sir, ich würde lieber mit Ihnen …« Mr de Burgh, wieder von jähem Ärger über die unverschämte Bittstellerin erfasst, hatte nun wirklich keine Neigung mehr, sich um das lästige Mädchen zu kümmern. Ungeduldig gab er dem Pferd die Gerte und preschte los, ohne noch auf Cathy zu achten, die dicht vor dem Wallach stand. Überrascht taumelte Cathy zurück und stolperte. Aaron packte sie und zog sie hastig zur Seite, sonst wäre sie von dem offenbar höchst erregten Hausherrn niedergeritten worden.
»Cathy! Bist du lebensmüde? Was soll das denn nur?«, herrschte er sie zutiefst erschrocken an. Seine Hand schloss sich grob um ihr
Weitere Kostenlose Bücher