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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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heimische Industrieproduktion vorgeschlagen. Mr de Burgh hatte davon nichts wissen wollen. Der Norden mit seinen Industriestädten wie Manchester und Birmingham, die sich wie Krebsgeschwüre ausdehnten und dem Süden mehr und mehr Bedeutung abrangen, war ihm ein Dorn im Auge. Als Spross eines sehr alten Adelsgeschlechts, wenn auch ohne eigenen Titel, waren ihm die neureichen, arroganten Industriellen, die immer mehr auch in London das Sagen hatten, zutiefst zuwider. In der Summe waren sie nichts als ein unerträgliches Pack von Emporkömmlingen, das sich auch noch erdreistete, mit der in den letzten Jahren ebenfalls gestiegenen politischen Macht im Unterhaus in die Regierungsgeschäfte Englands einzugreifen. Eine Entwicklung, die nicht nur ihm allein missfiel, aber offenbar nicht aufgehalten werden konnte. Allein die Tatsache, dass das gesamte Unterhaus der Krönung Victorias nun erstmalig beiwohnen sollte, war Ausdruck dieser skandalösen Vorgänge. Mit eben diesen Vertretern der neuen Gesellschaftsordnung Geschäfte zu machen, auch wenn sie noch so viel Gewinn versprachen, wäre das Letzte gewesen, was ihm in den Sinn kommen würde. Dann doch lieber auf Spekulationen und die traditionellen englischen Handelswerte wie Tee, Seide und andere Luxusgüter setzen. Gewiss, der Handel mit Tee und Seide war inzwischen oft genug ein Verlustgeschäft, da hatte Horace Havisham leider nur zu recht, aber das Gold hatte ihn bisher immer noch gerettet. Nun aber war der Markt nach Jahren der Stabilität plötzlich überaus empfindlich zusammengebrochen, und es sah bei Gott nicht nach einer Erholung aus. Er hätte es ja ahnen können! Auch die englische Wirtschaft geriet durch die zunehmende ausländische Konkurrenz immer mehr unter Druck, und die weltweiten Handelsniederlassungen litten vermehrt unter Widerständen und kriegerischen Auseinandersetzungen. Die unruhige Situation in Indien war da nur ein Symptom. Aber er hatte es nicht sehen wollen und die zahlreichen Warnungen nicht zur Kenntnis genommen. Mr de Burgh stöhnte angstvoll auf. Hätte er doch nur auf Havisham gehört und rechtzeitig auf den Opiumhandel umgestellt. Sein Geschäftsfreund hatte ihm ja wieder und wieder damit in den Ohren gelegen. Er hätte sich ohrfeigen können. Was war er doch für ein Narr gewesen! Mit zitternden Händen ließ de Burgh die Zeitung sinken und begann, hektisch auf seiner Unterlippe zu kauen. Wo sollte er nun Geld herbekommen, um seine nicht unerheblichen laufenden Kosten zu bestreiten, ganz zu schweigen von den Verpflichtungen, die er kürzlich zur Finanzierung der durchaus riskanten Unternehmung mit dieser Diamantenmine eingegangen war?
    Isobel sah überrascht auf. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass ihr Vater jeden Donnerstag für den Verlauf des Frühstücks hinter der ihm so überaus wichtigen Londoner Zeitung verschwand. Sie konnte damit nichts anfangen. Wirtschaft und Politik interessierten sie nur sehr mäßig und über Mode stand wenig in dieser Art von Zeitung. Lediglich die gesellschaftlichen Nachrichten las sie manchmal zusammen mit Miss Hunter in den Folgetagen. Doch nun wirkte ihr Vater ungewöhnlich blass und besorgt. So kannte sie ihn gar nicht. »Ist etwas geschehen, Papa?«, fragte sie neugierig und auch etwas beunruhigt, doch der antwortete nur mit einem geistesabwesenden Kopfschütteln. Nun, dann war es ja wohl doch nicht so schlimm. Schließlich stand ihre Abreise kurz bevor! Nicht auszudenken, wenn etwas dazwischen kommen sollte. Das hätte sie wirklich über die Maßen verärgert. Übermorgen sollte sie endlich zunächst nach Wilton zu ihren Verwandten und dann mit diesen zusammen nach London aufbrechen. Sie konnte es nicht erwarten. Vor zwei Tagen war auch endlich Miss Hunter abgereist. Es war kein tränenreicher Abschied gewesen. Obwohl Miss Hunter seit ihrem fünften Lebensjahr ihre Gouvernante gewesen war, hatte sie nie warme Gefühle für diese Frau entwickeln können. Wie auch? Miss Hunter schien nur aus Anstandsregeln, Strenge und ältlicher Garderobe zu bestehen. Nichts, wofür man eine wie auch immer geartete Zuneigung entwickeln konnte. Deshalb war ja auch Cathy für sie so wichtig gewesen. Ohne sie hätte sie es wohl nicht geschafft, die letzten Jahre zu ertragen. Sie hatte ihr wenigstens zu etwas Abwechslung und ihrem Alter entsprechenden Gesprächen verholfen. Und zuletzt hatte die Anwesenheit Cathys ihr zumindest Miss Hunter vom Hals gehalten. Sicher, dass Cathy sich bei der Geburt dieses lästigen

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