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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Isobel, als die Gäste zum Dinner eintrafen, mit Bedauern zu Kenntnis nahm. Umsonst hatte sie sich also mit Hilfe ihrer durchaus geschickten Zofe in ein schulterfreies blutrotes Gewand über einem eng geschnürten Mieder gezwängt, das ihre ohnehin schlanke Taille auf das inzwischen von der Mode wieder geforderte überschlanke Maß zusammenpresste. Sie war sich des beeindruckenden Anblicks, den sie besonders im Vergleich mit der jämmerlichen Vorstellung ihrer Cousinen abgab, überaus bewusst. Lord Fountley und auch seinem Sohn fielen fast die Augen aus dem Kopf, was allerdings auch kein Wunder war, da beider Augenpaare ohnehin zu froschartigem Herausquellen neigten. Auch der Gesichtsschnitt Mr Fountleys, den der Bedauernswerte von seiner vierschrötigen Mutter geerbt zu haben schien, unterstrich den amphibischen Eindruck, den er bei Isobel hinterließ, aufs Nachdrücklichste. Fast erwartete sie, dass er sich beim Dinner mit herausschnellender Zunge eine frech im Zimmer herumsurrende Stubenfliege schnappte, aber diesen amüsanten Gefallen tat er ihr leider nicht. Auch sonst hüllte er sich in stures Schweigen, kaum dass er die Begrüßung der Damen mit linkischem Handkuss hinter sich gebracht hatte. Er schien sich recht unwohl in der Gesellschaft der weiblichen Fraktion des Hauses Branford zu fühlen, und bald erkannte Isobel den Grund dafür.
    Die beiden Mütter hatten sich offensichtlich in den Kopf gesetzt, Lady Florence und den unglücklichen Mr Godfrey Fountley zu einer Verbindung zu drängen und unterstützen dieses Vorhaben dadurch, dass man die beiden bei Tisch nebeneinander platziert hatte. Lady Fountley erging sich während des Mahls in wahren Lobeshymnen über ihren Spross und Lady Branford stand dem, was Florence betraf, in nichts nach. Die Folge war, dass die beiden hilflosen Protagonisten dieser Posse mit peinlicher Röte übergossen tunlichst jeden Augenkontakt vermieden. Isobel vernahm im Laufe des Dinners amüsiert, dass Lady Florence ein wahrer Ausbund an Tugend, Anmut und Kunstverständnis sei, während Mr Godfrey Fountley sich anscheinend der besonderen Anerkennung seiner ungewöhnlichen Geistesgaben durch seine Professoren in Oxford rühmen konnte. Weder das eine noch das andere entsprach, wie Isobel vermutete, auch nur annähernd der Wahrheit, und das war wohl auch den beiden unglücklichen Opfern des Kuppelversuchs nur zu gegenwärtig. Immerhin versuchte der Sohn des Barons, dem Redefluss seiner krötengesichtigen Mutter durch bittende Blicke Einhalt zu gebieten, was diese aber nicht im Geringsten zur Kenntnis nahm. Schließlich flüchtete er sich in eine eingehende Betrachtung der nackten Schultern Isobels, die offenbar sein besonderes Interesse erregt hatten. Isobel war sich sicher, an diesem Abend bereits eine, wenn auch indiskutable, Eroberung gemacht zu haben. Sie beschloss, den jungen Mann ein wenig zu reizen und richtete das Wort an ihn: »Welches Fach studieren Sie denn, Mr Fountley?«
    »Jura!«, gab dieser erschrocken zur Antwort. Er hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass die Besitzerin dieser verlockenden Schultern auch über die Fähigkeit zu sprechen verfügte.
    »Das ist ja ungemein interessant!«, log Isobel schamlos, »fürchten Sie sich denn nicht vor dem schrecklichen Abschaum, mit dem Sie es in dieser Profession zu tun bekommen werden? Allein der Gedanke, einer Verurteilung zum Tode beiwohnen zu müssen, lässt mein schwaches Frauenherz erzittern. Und dann erst die entsetzlichen Zustände in den Gefängnissen. Man hört ja so einiges! Müssen Sie auch dahin?«
    »Ähm …«, sagte Mr Godfrey Fountley und schwieg eine geraume Weile, womit er die Lobeshymnen seiner Mutter ob seiner ungewöhnlichen Geistesgaben zunächst Lügen strafte. Dann aber fasste er erstaunlicherweise – vielleicht auch wegen des strengen Blicks derselben – Mut. »Tatsächlich habe ich mich aus diesem Grund auf das Gebiet der wirtschaftsrechtlichen Tätigkeit konzentriert. Ich muss zugeben, dass mich die Besuche, die ich im Gefängnis studienbedingt machen musste, sehr erschüttert haben. Die Verhältnisse sind unaussprechlich und menschenverachtend. Ich empfand es als unerträglich und es hat mich über die Maßen belastet, nicht eingreifen zu können. Wenn man bedenkt, dass schon Kinder von acht Jahren und jünger wegen Kleinigkeiten wie einem gestohlenen Brot zur Deportation verurteilt werden – was kaum eines von ihnen überlebt, wenn es denn wider Erwarten den Aufenthalt im

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