Die dritte Sünde (German Edition)
wirst mich nach Hause fahren, wenn ich bei der Kranken war, verstanden?«, sagte sie in einem rüderen Ton, als sie eigentlich beabsichtigt hatte. Der junge Mann trug offensichtlich etwas mit sich herum, das ihm Gewissensbisse bereitete und mit Cathy Thomson zu tun hatte. Das nahm sie nicht gerade für ihn ein, wenn man bedachte, was das arme Geschöpf schon hatte erdulden müssen. Er sollte ruhig versuchen, dies – um was auch immer es sich dabei handelte – wiedergutzumachen.
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Es war schon kurz vor Sonnenaufgang, als Aaron durch jemand, der unsanft an seinem Arm rüttelte, geweckt wurde. Am Vorabend hatte ihn der Schlaf schließlich übermannt, nachdem er unten in der Küche am Tisch sitzend noch lange auf Martha gewartete hatte, die gar nicht mehr aus Cathys Mansarde herunterkommen wollte. Die Sorge um Cathy hatte ihn fast wahnsinnig gemacht, aber er hatte nicht gewagt, unters Dach zu steigen, um selbst nach ihr zu sehen. Nun stand die Kräuterfrau endlich vor ihm. Schlaftrunken wischte er sich über das Gesicht, um die bleierne Müdigkeit, die ihm noch in den Knochen saß, zu vertreiben. »Es tut mir leid, dass es nun doch so lange gedauert hat«, meinte sie. Sie war es auch, die ihn geweckt hatte. Die Kräuterfrau wirkte ebenfalls übernächtigt, war aber in etwas gnädigerer Stimmung als am gestrigen Tag. »Die Kranke hat mir wirklich große Sorgen gemacht.« Aaron sah sie ängstlich an. Mit einem Schlag war er hellwach. »Aber jetzt geht es ihr doch besser, nicht wahr? Sie wird doch nicht …?« Er ließ die Frage im Raum stehen, ohne sie zu Ende zu führen. Doch die panische Furcht, dass Cathy womöglich doch dem Fieber zum Opfer fallen würde, war ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben.
Er scheint tatsächlich einiges für das Mädchen zu empfinden, dachte Martha und entschied sich dafür, ihn etwas zu beruhigen, obwohl Cathys Zustand die halbe Nacht über ausgesprochen besorgniserregend gewesen war. Doch nun war sie – Gott sei Dank – endlich über den Berg. Das Fieber war in den letzten Stunden merklich gesunken, und Cathy hatte ihr sogar, wenn auch nur kurz, verständlich antworten können auf die Fragen, die Martha ihr gestellt hatte. Nun schlief das junge Mädchen erschöpft seiner Gesundung entgegen. Die Kräuterfrau hatte sie in der Obhut von Mrs Branagh, die gar nicht so streng und ungnädig war, wie mancher aus der Dienerschaft vielleicht glauben mochte, zurückgelassen.
»Du brauchst dich nicht so sehr zu sorgen. Das Fieber ist gesunken. Sie wird noch einige Tage brauchen, um sich zu erholen, aber es besteht keine Gefahr mehr, denke ich, obwohl das letztlich nur Gott entscheidet.« Der junge Mann reagierte mit sichtlicher Erleichterung. Dann erhob er sich eilig, um ihrer am Abend zuvor geäußerten Bitte, sie nach Hause zu fahren, Folge zu leisten. Doch Martha hatte noch etwas auf dem Herzen. »Bevor du mich nach Hause bringst, sollte ich noch bei Wildhüter Finley vorbeischauen. Ich habe etwas mit ihm zu besprechen.« Aaron nickte folgsam. Doch dann hielt er inne, als beschäftige ihn noch etwas und fragte: »Was ist denn mit Cathy? Warum hatte sie plötzlich so hohes Fieber?«
Martha wiegte in Bedenken den Kopf hin und her und meinte dann: »Das ist einer der Gründe, warum ich mit Finley sprechen möchte. Ich hatte es mir fast gedacht, nach dem, was du mir berichtet hast, dass das Fieber zumindest zum Teil durch eine übergroße seelische Belastung hervorgerufen wurde. So etwas kommt gar nicht so selten vor. Offenbar war Cathy auch zusätzlich dadurch geschwächt, dass sie einige Tage nichts mehr gegessen hat. Die Mägde haben ihr wohl das Leben zur Hölle gemacht. Aber am meisten macht sie sich große Sorgen darüber, was aus ihr werden soll.«
»Oh!« Aarons Augen wurden dunkel vor Mitgefühl und zärtlicher Sorge. Er hat wirklich besonders hübsche Augen, dieser Stallknecht, dachte Martha. Vor allem kann er wohl seine Gefühlsregungen schlecht verbergen. Als fühlte er sich ertappt, wandte Aaron seinen Blick ab und fragte: »Hat sie sonst noch etwas gesagt? Ich meine, hat sie etwas erzählt von dem …?«. Offenbar zog er es vor, den Satz nicht zu beenden.
»Was sollte sie denn erzählt haben?«, fragte Martha lauernd. »Sie hat nichts über dich gesagt, wenn du das meinst.« Der junge Mann schwankte sichtlich zwischen Erleichterung und einer gewissen Enttäuschung. Doch dann besann er sich und wechselte das Thema. »Wenn wir zu Finley wollen, sollten wir uns auf den Weg
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