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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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machen, bevor er womöglich in den Wald geht«, sagte er schlicht und hielt ihr höflich die Tür auf, die in den Durchgang zum Arbeitshof führte.

Branford House, London, 1. Juni 1838

Kapitel 25

    Isobel ließ sich erschöpft auf das seidenbespannte französische Sofa sinken. Froh, der stickigen Kutsche entronnen zu sein, hatte sie sich in den geräumigen Salon des eleganten Stadthauses zurückgezogen, wo die Familie des Earls am Montpellier Place im aristokratischen Stadtteil Kensington residierte. Die Fahrt nach London zusammen mit Lady Branford und ihren beiden Cousinen war alles andere als erquicklich gewesen. Nicht nur waren die Straßen durch die vergangenen langen Regenfälle in einem beklagenswerten Zustand, sodass sie zwei Mal stecken geblieben waren und sogar hatten aussteigen müssen (wobei sie sich ihre Seidenschuhe völlig ruiniert hatte!), damit der Kutscher und seine beiden Begleiter das schwere und hoch beladene Gefährt wieder flott bekamen, auch der mehrstündige Aufenthalt im zumindest gut gepolsterten Innenraum der Kutsche mit ihren todlangweiligen Cousinen und der entsetzlich steifen und ermüdenden Lady Branford war eine ausgesuchte Folter gewesen. Wie sollte sie deren Gesellschaft nur über die ganze Dauer ihres Aufenthaltes in London – dieses überaus bedeutsamen Abschnittes in ihrem jungen Leben – ertragen? Eine grauenhafte Vorstellung! Zu dumm, dass die Verwandtschaft mit diesen peinlichen, wenn auch adeligen Frauen unbedingte Voraussetzung für ihre eigene glänzende Einführung in die gehobene Gesellschaft Londons, ja, sogar des ganzen Kingdoms war. Denn dieses schickte sich erfreulicherweise an, sich der Krönung wegen in London einzufinden. Wirklich ein gut gewählter Zeitpunkt für ihr Debüt, wenn auch die Umstände mehr als lästig waren.
    Lady Florence war es in den vergangenen Monaten, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten, tatsächlich gelungen, noch dicker zu werden, als sie es ohnehin schon war. Das verzweifelt eng geschnürte Mieder ihres bräunlichen Kleides, von dem Lady Branford fälschlicherweise annahm, es stehe Florence gut zu Gesicht, hatte die siebenundzwanzigjährige älteste Tochter des Earls während der Reise mehrfach an den Rand einer Ohnmacht getrieben. Das hatte jedes Mal zu einer erheblichen Aufregung geführt. Erst als man schließlich übereinkam, die Schnürung etwas zu lockern, hatte sich der gesundheitliche Zustand von Lady Florence schlagartig wieder normalisiert, was man allerdings vom Umfang ihrer Taille nicht behaupten konnte. Isobel verkniff sich ein Lachen. Es war wirklich zu komisch gewesen, wie die in der stickigen Hitze des Kutscheninnenraums puterrot angelaufene fette Gans um Erlösung von ihren Qualen bettelte, was Lady Branford nur ungern akzeptierte, aber schließlich gezwungenermaßen gewährte. Isobel verspürte wenig Mitleid. Es war schließlich ganz Florences eigene Schuld, wenn sie es vorzog, ihre Jugend als Fass zu beschließen. Auch Lady Mary-Ann, nunmehr vierundzwanzig Lenze zählend und ebenfalls noch nicht verehelicht, ebenso wie ihre groteske ältere Schwester, war eine rechte Plage. Sie war zwar nicht so fett wie diese, besaß dafür aber noch weniger weiblichen Reiz. Während Florence wenigstens ein einigermaßen hübsches Gesicht mit netten Grübchen auf der äußerst dürftig ausgestatteten Liste ihrer Vorzüge verbuchen konnte, war Mary-Ann nur unerträglich fade, rechthaberisch und überdies geradezu hässlich mit ihren mausbraunen stumpfen Haaren, dem leicht fliehenden Kinn und der markanten Nase. Einer Nase, die die Ärmste wohl ihrem Vater zu verdanken hatte. Obwohl ihre Mutter immer wieder – offenbar mit Blindheit geschlagen – beteuerte, es bestehe eine gewisse Ähnlichkeit mit der jungen Victoria, konnte Isobel nicht umhin zu konstatieren, dass dies die traurigen Tatsachen in keiner Weise verbesserte. In diesem Fall war auch die angehende Queen Victoria sehr zu bedauern.
    Es war wirklich zum Ärgern, dass sie die ersten Tage nun auch noch allein mit ihren Verwandten in London verbringen sollte. Ihr Vater hatte ihr am Tag ihrer Abreise mitgeteilt, dass ihn geschäftliche Verpflichtungen noch etwas aufhielten, er aber, sobald es ihm möglich sei, nachkommen würde. Auch der Earl, der bereits in London weilte, hatte alle Hände voll im Oberhaus zu tun, das jetzt so kurz vor der Krönung in emsige Betriebsamkeit verfallen war. Jedenfalls war eine Krönung ein Anlass, der den Hochadel in hellste Aufregung und

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