Die dritte Sünde (German Edition)
gewesen, sich mit ihr einzulassen! Aber wenn das Glück ihm hold war, so würde Miss de Burgh vielleicht gar nicht mehr oder nur noch für kurze Zeit nach Whitefell zurückkehren. Hatte sie nicht so etwas erwähnt? Er hoffte inständig, dass dieses so besitzergreifende, reiche Mädchen aus seinem und auch aus Cathys Leben verschwand. Vielleicht wäre dann auch Cathy endlich bereit, seine Zuneigung zu erwidern – zumindest hatte er sich das, sich schlaflos auf der Strohmatratze in seiner Knechtekammer wälzend, immer wieder hoffnungsvoll ausgemalt. Ein Gedanke, der seinen Puls auch jetzt beschleunigte. Das wünschte er sich mehr als alles andere.
Der Schimmel verfiel, die Erregung seines Reiters spürend, in einen leichten Galopp. Seine Hufe wirbelten den Staub der sommertrockenen Erde auf. Aaron ließ dem rassigen Tier die Zügel schießen und der Hengst jagte nun wie entfesselt über die Wiesen Whitefells dahin, setzte mühelos über ein Holzgatter hinweg und bog dann, dem leichten Schenkeldruck seines Reiters gehorchend, in einen Hohlweg ein, der in das ausgedehnte Waldgelände führte. Aaron liebte diesen Wald und versäumte es nie, wenn er Gelegenheit zu einem Ausritt hatte, zumindest einen Teil seiner Route dorthin zu verlegen. Es war ein gut gepflegter Wald, denn Finley tat seine Arbeit hervorragend. Er war als Wildhüter nicht nur für die Wildpflege zum Jagdvergnügen Mr de Burghs und für die Versorgung des Herrenhauses mit Wildbret zuständig, sondern hatte auch die jährlichen Fällarbeiten für den Holzbedarf des Gutes und manchmal sogar für den Verkauf zu organisieren und zu beaufsichtigen. Dabei waren alle Pächter, so Bedarf bestand, aber vor allem auch alle männlichen Angestellten außer dem Dienstpersonal des Wohnhauses zur Mitarbeit verpflichtet. Auch Aaron würde sich im Spätherbst an dieser schweißtreibenden Arbeit beteiligen müssen. Aber er scheute die Arbeit nicht. Ganz im Gegenteil! Er liebte die körperliche Tätigkeit im Freien geradezu, genauso wie er die zu seinen Pflichten gehörenden Trainingsausritte mit den noch unerfahrenen Pferden genoss. Er hätte sich auch gut vorstellen können, einen eigenen Pachthof zu bewirtschaften. Auf seinen bisherigen Wanderungen und bei den vielen Gelegenheitsarbeiten in den vergangenen Jahren hatte er sich die notwendigen Fähigkeiten dafür allemal angeeignet. Aber solche Wünsche waren nichts weiter als Tagträumereien. Es würde ihm nie gelingen, in den Besitz eines Pachthofs zu kommen. Dazu musste man Verbindungen haben und aus der Gegend stammen. Die Höfe wurden meistens von einer Generation zur nächsten übergeben, außer es fand sich kein männlicher Nachkomme. Und selbst dann standen schon unzählige andere berechtigtere Anwärter auf den Listen des jeweiligen Pachtherrn, die in den Genuss eines solchen Privilegs, so es denn eines war, kommen würden. Denn obwohl eine Pacht für einen Angehörigen der einfachen Bevölkerung ein erstrebenswertes Ziel war, so waren durch die fragwürdige Politik der Krone die Pächter nahezu rechtlos und konnten sich oft kaum noch von ihren Höfen, die ihnen oder ihren Vorfahren womöglich zuvor weggenommen worden waren, ernähren. Den Herren der Landstriche war es nämlich durch die Enclosure [14] erlaubt worden, sich die Gebiete der Bauern in ihrem Einzugsbereich anzueignen und ihrem Besitz hinzuzufügen. Den angestammten Bauern blieb nur noch das Dasein von rechtlosen Pächtern, die einen Großteil ihrer Einkünfte dem Gutsherrn abzuliefern hatten, oder aber die zweifelhafte Aussicht, ihr Glück als Arbeiter in den Fabriken zu suchen. Das meiste des Gewinns aus der Landwirtschaft floss nun den meist adeligen Pachtherren zu, deren Lebensstil und Verpflichtungen offenbar ungeheure Summen verschlangen. Deshalb zog es auch immer mehr Menschen der sich vergrößernden armen Bevölkerung in die Industriestädte der Midlands und des Nordens, wo man auf ein besseres Auskommen hoffte.
Auch Aaron hatte schon mit dem Gedanken gespielt, seinen Lebensunterhalt als Arbeiter zu verdienen, war aber bisher davor zurückgescheut, da er auch genügend wenig ermutigende Berichte über die teilweise haarsträubenden Lebensbedingungen in den Städten gehört hatte. Man hatte es eben nicht leicht, wenn man nicht zur herrschenden Klasse gehörte. Da ging es oft genug nur darum, sich sein Auskommen von einem Tag zum anderen zu sichern. Natürlich schimpften die Menschen darüber und immer wieder kam es auch zu Aufständen. Aber
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