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Die dritte Sünde (German Edition)

Die dritte Sünde (German Edition)

Titel: Die dritte Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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mehr wie eine Verrückte. Mary-Ann umklammerte sie verzweifelt.
    »Einen Arzt, Vater!«, schrie sie. »Schnell, wir brauchen einen Arzt!«
    Auch der Earl wirkte nun völlig hilflos. Sein Zorn verrauchte so schnell, wie er gekommen war. Fassungslos sah er erst auf die kreischende Florence, dann auf seine ohnmächtige Gattin, nickte dann folgsam und eilte aus dem Raum, um die erforderlichen Anweisungen zu geben. Cedric folgte ihm diensteifrig. Isobel setzte sich auf einen Sessel in einer Ecke des Raumes und wartete ab, was nun geschehen würde.
    »Lieber Onkel, bitte bringen Sie meine Mutter doch in mein Zimmer und bitten Sie Fanny, meine Zofe, sich um sie zu kümmern«, wies Mary-Ann, die als Einzige der Familie der Branfords einen klaren Kopf zu behalten schien, Isobels Vater an. »Und du«, wandte sie sich mit unverhohlenem Hass in der Stimme an Isobel, »machst entweder, dass du hinauskommst, oder hilfst mir, die arme Florence aufs Bett zu legen. Ich dulde nicht, dass du dich an ihrem Leid auch noch ergötzt.« Isobel schnitt eine Grimasse. Sie hatte es satt, ständig kritisiert zu werden. Was erlaubte sich dieses rechthaberische Ding eigentlich? Doch dann stand sie auf und half Mary-Ann, die immer noch schreiende Florence aus den Trümmern der Zimmerdecke und des Kristalllüsters zu befreien und sie auf ihr Bett zu verfrachten. Nichts in der Welt hätte sie nun wieder zurück in ihr Zimmer gebracht. Das Ganze war einfach zu aufregend. »Florence, so beruhige dich doch!«, flehte Mary-Ann ein ums andere Mal, doch diese reagierte nicht weiter auf die gut gemeinten Appelle ihrer jüngeren Schwester und fuhr fort zu schreien. Schließlich wurde es Isobel, die eine Weile schweigend dabeigestanden hatte, zu dumm. »Hör jetzt endlich auf, Florence!«, herrschte sie sie an, »Deine Vorstellung ist beschämend und unwürdig. Wie kann man sich nur so aufführen?«
    Wahrscheinlich hatte mehr ihr Tonfall als ihre Worte die erwünschte Wirkung. Florence verstummte, starrte sie mit großen Augen an, schlug dann die Hände vor das Gesicht und verlegte sich auf ein leises Wimmern. Das war wenigstens so lange leidlich zu ertragen, bis der Arzt kurze Zeit später in Begleitung des Hausherrn auftauchte. Ein schneller Blick auf die chaotische Unordnung im Zimmer und den Zustand seiner Patientin sagte dem erfahrenen Mediziner umgehend und ohne weitere Erklärung, was vorgefallen war. Er seufzte. Es nahm überhand mit den Selbstmördern in der letzten Zeit. Allein im vergangenen Vierteljahr waren es acht Tote in seinem Praxisumfeld gewesen, die durch eigene Hand aus dem Leben geschieden waren. Die unvorhergesehenen wirtschaftlichen Turbulenzen an der Börse hatten einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran, aber auch Liebesleid. Zum Glück war es dieser jungen adeligen Dame, der Tochter des allseits geachteten Earls of Branford nicht gelungen, sich zu erhängen. Der Skandal wäre ungeheuerlich gewesen! So wie die Dinge lagen, brauchte die junge Frau zunächst einmal eine große Dosis Beruhigungsmittel, dann würde er sie untersuchen. Möglicherweise hatte das Genick doch Schaden genommen. Man konnte nie wissen. Er holte eine Ampulle mit einem Opiat aus seiner Arzttasche, füllte die Flüssigkeit in einen länglichen schmalen Glaszylinder mit metallener Schubvorrichtung, schraubte eine vergoldete Nadel [16] auf und verabreichte der jungen Dame eine Injektion in die Armbeuge. Kurz darauf fielen ihr die Augen zu und sie sank in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf. Eine kurze Untersuchung ihres Halses, den ein breiter blutunterlaufener Striemen verunstaltete, zeigte keine größeren Verletzungen des Bewegungsapparates. Allerdings legte der Arzt dennoch einen stützenden und gleichzeitig die hässlichen Zeugen des Selbstmordversuches verdeckenden Verband an. Dann wandte er sich an den Earl, der betreten dabeigestanden hatte: »Wissen Sie etwas über den Grund für diese Verzweiflungstat, Mylord?«
    Lord Branford zögerte, doch dann nickte er. »Es gibt da eine unglückliche, da nicht standesgemäße Liebesbeziehung, die meine Tochter unbedachterweise eingegangen ist. Ich habe das natürlich unterbunden. Es ist eine reine Narretei.«
    Der Arzt hob in Bedenken die Augenbrauen. »Für die junge Lady scheint es mehr als das gewesen zu sein. Es ist, so muss ich sagen, recht unüblich, dass eine Frau sich erhängt. Meistens schneiden sie sich die Pulsadern auf oder nehmen Gift, was dazu führt, dass sie oft genug noch gerettet werden können.

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