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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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eingetragen, die in alphabetischer Reihenfolge männliche und weibliche Kandidaten enthalten. Wie klingt das?«
    »Ihr besorgt euch auch die Adressen?«
    »Ja, und das Alter, wenn möglich, oder das geschätzte Alter. Bereits jetzt haben wir mehr als dreihundert Namen, Chief, Wenn wir durch sind, werden es wahrscheinlich weit mehr als tausend sein, und selbst dann würde ich meine Hand nicht dafür ins Feuer legen, daß wir jeden New Yorker mit vorheriger Kenntnis der Veranstaltungstermine erfaßt haben.«
    »Ich weiß«, sagte Delaney grimmig, »aber wir haben keine andere Wahl.«
    Von all diesen Konferenzen mit den Einsatzleitern kam er mit dem Gefühl nach Hause, daß die Moral gut war und daß die Männer ihre Aufgaben ohne größeres Murren erledigten.
    Nach drei Monaten der Verwirrung und Tatenlosigkeit hatte man sie endlich von der Leine gelassen und die Jagd freigegeben; wenn das Ziel auch etwas deutlicher hätte sein können, so war es doch unleugbar da. Keiner, der an der Untersuchung beteiligt war, hatte das Gefühl, daß sein Tun sinnlos sein könnte, egal, wie lähmend und langweilig es auch war.
    Es war nicht das erste Mal, daß Edward X. Delaney den überraschenden Kontrast zwischen der Dramatik eines abscheulichen Verbrechens und der trockenen Kleinarbeit der Aufklärung konstatierte. Die Tat war (manchmal) eine Tragödie; die Untersuchung (nicht selten) eine Komödie.
    Am 30. Mai trafen sich alle Detectives im Revier Manhattan Nord. Wenn Delaneys Hypothese zutraf — und mittlerweile war fast jeder davon überzeugt, einfach, weil niemand sonst eine plausible Theorie vorgelegt hatte, in die alle bekannten Fakten gepaßt hätten —, dann würde der nächste oder versuchte Mord in der Woche vom 1. bis zum 7. Juni stattfinden, wahrscheinlich um den Mittwoch herum.
    Man beschloß, jeden verfügbaren Mann als Lockvogel einzusetzen. Unter Mithilfe der verstärkten Sicherheitskräfte der Hotels würden alle Bars und Hotels in Manhattan von acht Uhr abends bis zur Sperrstunde überwacht werden.
    Die Lieutenants und Sergeants arbeiteten einen Schichtplan aus, so daß während dieser Stunden ständig ein »heißer Draht« von jedem der Hotels zum Revier Manhattan Nord existierte. Darüber hinaus wurde eine Feuerwehr, bestehend aus fünf Beamten, in Manhattan Süd stationiert, von wo aus sie schnell zur Verstärkung herbeigerufen werden konnte. Die Spurensicherung war alarmiert; einer ihrer Wagen bezog an der 54th Street West Posten.
    Monica Delaney konnte die Nervosität ihres Mannes am Abend des ersten, zweiten und dritten Juni nicht übersehen. Er griff nach Büchern und legte sie wieder weg. Starrte stundenlang auf eine geöffnete Zeitung, ohne einmal umzublättern. Stapfte unmutig durchs Haus, den Kopf gesenkt, die Hände in den Hosentaschen.
    Sie verbiß sich die Frage nach dem Grund seiner Unzufriedenheit; sie kannte ihn. Vernünftigerweise ließ sie ihn im eigenen Saft kochen. Aber sie fragte sich, was aus ihm werden würde, wenn die Ereignisse ihm unrecht gaben.
    Am Abend des 4. Juni, einem Mittwoch, saßen sie im Wohnzimmer zu beiden Seiten des Cocktailtisches und spielten ohne große Konzentration Gin Rommee. Der Chief hatte unablässig gewonnen, aber kurz nach elf Uhr abends warf er angewidert die Karten auf den Tisch und stand auf.
    »Zum Teufel damit«, sagte er rauh. »Ich fahre ins Revier.«
    »Und was kannst du dort anders tun als hier?« fragte seine Frau ruhig. »Du wirst den Männern nur im Weg sein. Sie werden denken, du wolltest sie überwachen, weil du ihnen nicht zutraust, daß sie ihren Job ordentlich erledigen.«
    »Du hast recht«, sagte er sofort und ließ sich wieder in den Stuhl fallen. »Ich fühle mich bloß so verdammt nutzlos.«
    Sie blickte ihn teilnahmsvoll an. Sie wußte, welche Bedeutung der Fall für ihn gewonnen hatte: daß seine Erfahrung geschätzt wurde, daß sein Alter ihm nicht im Weg stand, daß er gebraucht wurde.
    Da saß er, ein finsterer, zerklüfteter Berg von einem Mann. Graues Haar stand von seinem großen Kopf ab. Seine Gesichtszüge wirkten schwer, brütend. Mit seinen kräftigen, runden Schultern machte er einen beinahe rohen Eindruck.
    Aber sie wußte, daß sich hinter der rauhen Fassade ein sensibler Mann verbarg. Er kannte sich in den Kunstmuseen der Stadt aus, wußte gute Küche und einen guten Wein zu schätzen und konnte sogar mit Lyrik etwas anfangen — vorausgesetzt, sie reimte sich.
    Während sie noch über die Gegensätze des Mannes, den sie

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