Die dritte Todsuende
Türme von Manhattan und zerbrachen das Spiegelbild der Sonne in viele Tausende von Strahlen. Die Stadt schien zu brennen, ein prunkvolles Kulissengemälde für ein gigantisches Theater, ein kosmisches Bühnenspiel.
»Oh, Zoe«, sagte Ernest Mittle leise, »ist das nicht wunderschön?«
»Ja«, antwortete sie, senkte aber gleich darauf den Blick. Sie wollte nicht zugeben, daß die Stadt auch von großer Schönheit sein konnte.
Ernie blickte sie an. Er ergriff ihre Hände und hielt sie fest. Sie hob ihre Augen, bis sie den seinen begegneten. Seine Lebhaftigkeit war verschwunden. Jetzt wirkte er ernst, beinahe feierlich.
»Zoe«, sagte er leise, »es gibt etwas, worüber ich mit dir sprechen möchte.«
»Worum geht es denn, Liebling?« fragte sie ängstlich. »Stimmt irgend etwas nicht? Habe ich etwas falsch gemacht?«
»Oh, nein, nein«, protestierte er. »Nein, es ist alles in bester Ordnung. Darling, ich habe viel über dich nachgedacht. Jede Minute. Ich meine, egal, ob ich arbeite oder durch die Stadt gehe oder zu Hause sitze oder schlaflos im Bett liege, immer muß ich an dich denken. Und, nun, also, ich habe beschlossen, daß ich ständig mit dir zusammen sein möchte. Für immer.« Er hielt inne und sagte dann hastig: »Weil ich dich so sehr liebe und dich heiraten möchte, Zoe. Darling… Bitte?«
Sie blickte ihm in die Augen und blinzelte, um nicht zu weinen.
»Oh, Ernie…«, begann sie.
»Hör mir nur eine Minute zu«, sagte er heiser. Er gab ihre Hände frei, wandte sein Gesicht wieder dem Fluß zu und beugte sich vor. »Ich weiß, ich bin keine besonders gute Partie. Ich meine, ich habe einen guten Job, und ich scheue harte Arbeit nicht, und ich werde es noch weiter bringen. Aber ich sehe nicht sonderlich toll aus — ich meine, ich bin nicht gerade ein Traummann. Aber ich liebe dich, Zoe. Mehr als ich je zuvor in meinem Leben irgend jemand oder irgend etwas geliebt habe, und ich möchte den Rest meiner Tage mit dir verbringen. Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, und ich bin sicher, daß ich genau das und nichts anderes möchte. Ich muß ununterbrochen an dich denken, und ich liebe dich so sehr, daß es manchmal schon weh tut und ich das Gefühl habe, jeden Moment in Tränen ausbrechen zu müssen. Ich weiß, es ist albern, aber so fühle ich nun einmal.«
»Oh, Ernie«, sagte sie noch einmal. Sie ergriff seine Schultern und drehte ihn zu sich. Sie umarmte ihn heftig. So hielt sie ihn fest, sein Gesicht gegen ihren Hals gepreßt, und strich ihm über das glatte Haar. Schließlich ließ sie ihn los. In seinen Augen standen Tränen.
Zärtlich küßte sie seine weichen Lippen und legte ihre Hand an seine Wange.
»Danke, Liebling«, sagte sie. »Danke, danke, danke. Du weißt gar nicht, wieviel mir deine Liebe und Zuneigung bedeutet. Es ist das Schönste, was mir je widerfahren ist, und ich bin wahnsinnig stolz.«
»Wir könnten es schaffen, Zoe«, flehte er. »Wirklich, wir könnten es schaffen. Wir müßten natürlich daran arbeiten, aber ich weiß, das würden wir auch tun. Wenn ich mit meinem Computer-Lehrgang fertig bin, kriege ich einen besseren Job. Und ich habe etwas Geld auf der Bank. Nicht viel, aber ein bißchen. Wir würden also nicht verhungern oder so. Und du könntest zu mir ziehen. Vorübergehend, meine ich, bis wir was Größeres finden. Und ich habe…«
»Psst«, flüsterte sie und berührte seinen Mund mit dem Zeigefinger. »Laß mich doch erst mal eine Minute zu Atem kommen. Schließlich kriegt ein Mädchen nicht jeden Tag einen…«
Bewegungslos saßen sie auf der Bank. Sie hielt sein Gesicht zwischen ihren Händen und starrte in seine tränenvollen Augen.
»So sehr liebst du mich, Darling?« fragte sie leise.
»Ja, ja«, rief er aus. »Ich würde alles für dich tun, Zoe, das schwöre ich. Nur verlassen könnte ich dich nicht. Bitte mich nicht, dich zu verlassen.«
»Nein«, sagte sie mit einem traurigen Lächeln. »Darum werde ich dich nicht bitten.«
»Es gibt doch keinen anderen, oder?« fragte er ängstlich.
»Oh, nein, es gibt keinen anderen.«
»Zoe, ich kann mir vorstellen, daß du… nun, du weißt, du warst schon einmal verheiratet, und es hat nicht geklappt, so daß du vielleicht denkst, du solltest vorsichtig sein, bevor du wieder heiratest. Aber ich würde mir große Mühe geben, Darling, ehrlich, das würde ich. Ich würde versuchen, dir ein guter Mann zu sein und dich glücklich zu machen.«
»Ich weiß, das würdest du, Ernie. Du bist ein feiner,
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