Die dritte Todsuende
hatten, gingen sie langsam durch die warme, schwüle Sommernacht heimwärts.
»Edward, du hast eben gesagt, die Mörderin würde sich ohne Umstände, fast mit Erleichterung ergeben. Warum Erleichterung?«
»Ich glaube, sie wird langsam müde«, erklärte Delaney. »Darüber hinaus ist Dr. Ho der Meinung, daß der ständige Streß eine Addisonsche Krise hervorrufen könnte. Es paßt alles zusammen: eine kranke Frau gelangt ans Ende ihrer Weisheit.«
»Dann glaubst du also auch, daß sie krank ist?«
«Körperlich, nicht geistig. Sie kennt den Unterschied zwischen Recht und Unrecht. Aber was Unzurechnungsfähigkeit oder Schuldfähigkeit angeht, sind die Gesetze so kompliziert, daß es unmöglich ist, zu sagen, wie ein Richter oder eine Jury entscheiden werden. Sie können sagen, daß sie für gewöhnlich gesund ist, ihre Morde aber in Momenten überwältigenden Irrsinns begangen hat. Zeitweilige Unzurechnungsfähigkeit. Es ist wirklich nicht wichtig. Das heißt, es ist schon wichtig, aber es ist nicht die Aufgabe der Cops, das zu entscheiden. Die Cops haben sie nur zu stoppen.«
»Viel Glück morgen früh«, sagte Monica schwach. »Wirst du mich anrufen?«
Er ergriff ihren Arm.
»Wenn du es willst«, sagte er.
In dieser Nacht schlief Edward X. Delaney tief und gut. Am nächsten Morgen zog er sich besonders sorgfältig für die Konferenz in Manhattan Nord an.
»Als ob ich zu einer Hochzeit eingeladen wäre«, meinte er amüsiert zu Monica. »Oder zu einer Beerdigung.«
Er trug einen dreiteiligen, marineblauen Kammgarnanzug, ein weißes Hemd mit gestärktem Kragen und eine kastanien-farbene Krawatte. Monica steckte ein Seidentuch in die Brusttasche seines Jacketts, und zwar so, daß der geblümte obere Rand herausschaute. Sobald er das Haus verlassen hatte, stopfte er es ganz nach unten, bis es nicht mehr zu sehen war.
Der Konferenzraum im dritten Stock des Reviers Manhattan Nord platzte fast aus den Nähten. Lieutenant Crane, Sergeant Broderick, Boone, Bentley, Delaney und Thorsen waren die einzigen, die Stühle erhalten hatten. Alle anderen lehnten an der Wand. Auch draußen auf dem Korridor lungerten Männer herum und warteten auf Neuigkeiten, gute oder schlechte.
»Okay, Tom«, sagte Sergeant Boone zu Broderick. »Wir sind ganz Ohr.«
»Also«, sagte der Detective Sergeant, »als erstes habe ich hier eine Liste mit allen weiblichen Opfern der Addisonschen Krankheit, die in Manhattan wohnen. Sechzehn Namen.«
»Gut«, meinte Lieutenant Wilson T. Crane und griff nach dem Stapel getippter Listen vor sich auf dem Tisch. »Ich habe hier eine Liste aller Frauen, die in Manhattan wohnen oder arbeiten und auf die eine oder andere Weise Zugang zur Terminplanung der Kongreßveranstalter haben. Fangen wir an…«
»Der erste Name«, sagte Broderick, »lautet Alzanas. A-l-z-a-n-a-s. Marie. Marie Alzanas also.«
Lieutenant Crane beugte sich über seine Liste, blätterte um. »Nein«, sagte er, »habe ich nicht. Die nächste?«
»Carson, Elizabeth J. C-a-r-s-o-n.«
»Carson, Carson, Carson… Ich habe hier eine Muriel Carson.«
»Das nützt uns nichts. Die hier heißt Elizabeth J. Der nächste Name ist Domani, Doris. Buchstabiert sich D-o-m-a-n-i.«
»Nein, keine Domani.«
Langsam wurde ein Name nach dem anderen verlesen. Die Männer im Raum waren still. Auch draußen auf dem Flur herrschte jetzt Schweigen. Von unten drangen Geräusche herauf, gelegentlich gellte eine Stimme. Aber ihr Teil des Gebäudes schien den Atem anzuhalten, zu warten…
»Jackson«, las Sergeant Broderick vor. »Grace T. Jackson. J-a-c-k-s-o-n.«
»Keine Grace T. Jackson«, sagte Lieutenant Crane. »Weiter.«
»Kohler. K-o-h-l-e-r. Vorname Zoe. Z-o-e. Zoe Kohler also.«
Cranes Finger fuhr die Seite hinunter. Hielt inne. Der Lieutenant blickte auf.
»Gefunden«, sagte er. »Zoe Kohler.«
Ein Seufzer ging wie ein Windstoß durch den Raum. Die Männer blickten sich an, ausdruckslos. Zigaretten wurden entzündet.
»Gut«, sagte Sergeant Boone, »macht weiter. Vielleicht kommt noch eine.«
Sie warteten ruhig und geduldig, während Sergeant Broderick die restlichen Namen auf seiner Liste vorlas. Zoe Kohler war die einzige Frau, die auch auf Lieutenant Cranes Liste stand.
»Zoe Kohler«, sagte Delaney. »Wo haben Sie die gefunden, Broderick?«
»Sie hat ein Armband und ein Erste-Hilfe-Päckchen für Opfer der Addisonschen Krankheit in einer Apotheke an der dreiundzwanzigsten Straße gekauft.«
»Crane?« fragte der Chief.
»Wir
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