Die dritte Todsuende
mußtest, Ivar. Du hast vergessen, daß zwischen Wissen und Beweisen eine riesige Kluft besteht. Wir haben genug, um zu wissen, daß Zoe unsere Täterin ist, aber wenn es darum geht, das auch zu beweisen, haben wir einen Dreck. Ich sage dir ganz offen, daß ich bezweifle, ob der Staatsanwalt aufgrund unseres Beweismaterials formell Anklage erheben wird. Er ist auf handfeste Verhaftungen und Verurteilungen aus. Wie jeder andere auch, ist er nicht gerade an aussichtslosen Fällen interessiert.«
»Ich sage immer noch, wir haben genug, um sie zum Verhör vorführen zu lassen. Selbst wenn wir in ihrer Wohnung nichts Neues entdecken, können wir ihr einen gehörigen Schrecken einjagen. Danach schneidet die keine Kehlen mehr durch, das schwöre ich dir.«
»Bist du dir dessen wirklich so sicher? Hundertprozentig? Daß sie nicht einfach die Stadt verläßt, an irgendeinen anderen Ort zieht, ihren Namen ändert und ihr Hobby wieder aufnimmt?«
»Das ist dann aber nicht mehr unser Problem.«
Delaney grunzte. »Ivar, deine Herzensgüte ist bestrickend.«
»Du weißt, was ich meine. Ich habe mich freiwillig für diesen Job gemeldet, weil ich mir sagte, daß, wenn überhaupt jemand den Hotel-Ripper schnappen könnte, du dieser jemand wärst. Gut, du hast es also tatsächlich geschafft, und ich möchte, daß du weißt, wie sehr ich zu schätzen weiß, was du für uns getan hast. Aber bei der ganzen Sache ging es nur darum, dieser Mordserie ein Ende zu setzen. Ich habe den Eindruck, daß wir dazu jetzt in er Lage sind, einfach, indem wir sie hopsnehmen und ihr sagen, was wir wissen. Ein Prozeß oder eine Verurteilung sind im Augenblick zweitrangig.«
»Dann steige ich aus«, sagte Delaney. »Denn mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun.«
Ivar Thorsen schlug mit dem Handteller auf die Tischplatte. »Kein Wunder, daß sie dich ›Eisenschädel‹ genannt haben. Du bist der dickköpfigste, eigensinnigste Mann, den ich je getroffen habe. Du kannst einfach nicht nachgeben.«
»Ich weiß, was Recht ist«, sagte Delaney unbeirrt.
Der Admiral holte tief Luft. »Ich gebe dir noch eine Woche«, sagte er. »Bis Freitag, den fünfundzwanzigsten. Wenn wir bis dahin nicht mehr über sie haben, lasse ich sie so oder so aus dem Verkehr ziehen. Ich kann das Risiko einfach nicht eingehen, daß sie noch jemand die Kehle aufzuschlitzen versucht.«
»Scheiße«, sagte Delaney.
Er ging durch die schwüle Dämmerung heimwärts. Er versuchte, sich seinen Ärger abzulaufen. Intellektuell konnte er die Argumentation hinter Ivar Thorsens Entscheidung verstehen, aber das machte es nicht besser. In Wirklichkeit handelte es sich einzig und allein um Politik.
»Politik«. Was für ein mieses Wort! Politik war ölig, schlüpfrig, opportunistisch und schwach. Politik, das bedeutete, das Richtige aus den falschen Gründen und das Falsche aus den richtigen Gründen zu tun.
Ivar mußte an seine eigene Karriere und den Ruf des Departments denken. Unter diesem Aspekt handelte er »richtig«, denn er handelte politisch. Aber er war auch bereit, einer Mörderin ihre Verbrechen durchgehen zu lassen; darauf lief es nämlich am Ende hinaus.
Delaney überlegte, wie er sie festnageln konnte. Es würde ein gewagtes Unterfangen werden, aber mit etwas Umsicht und Glück mußten sie es schaffen.
Natürlich konnte man sie nicht wieder auf Pirsch nach irgendeinem unschuldigen Tölpel gehen lassen, damit sie ihn auf sein Hotelzimmer begleiten und ihm die Kehle aufschlitzen konnte, während ihr die ganze Zeit eine Horde von Cops folgte, die dann in letzter Sekunde die Tür aufsprengten, um sie mit dem Messer in der Hand, das Opfer in spe unbeschadet zu ihren Füßen, zu erwischen. Das würde nie gutgehen.
Nein, das mußte man viel geschickter angehen und sorgfältiger durchdenken. Der in Frage kommende Bursche mußte ein Lockvogel der Polizei sein, ein echter Cowboy mit schnellen Reflexen und dem Mumm, die Angelegenheit tatsächlich vom Anfang bis zum Ende durchzustehen. Er mußte Charme haben, vorzeigbar sein und genügend schauspielerische Fähigkeiten besitzen, um einen Handelsreisenden oder einen Kongreßteilnehmer von außerhalb glaubhaft darstellen zu können.
Er würde sich ein Zimmer in einem Manhattaner Hotel nehmen, und sie würden es mit Mikrophonen, einem durchsichtigen Spiegel und womöglich noch einer Videokamera ausstatten, um die ganze Sache aufzuzeichnen. Im Nebenraum natürlich eine Handvoll harter Burschen, die im richtigen Moment hereinstürzten
Weitere Kostenlose Bücher