Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
dargebotene Hand.
    »Sergeant«, sagte er mit einem glücklichen Lächeln.
    Wenige Minuten später hatte Detective Sergeant Abner Boone in einem rissigen Ledersessel Platz genommen. Delaney schob seinen Drehstuhl hinter dem Schreibtisch hervor, damit er sich mit seinem Besucher unterhalten konnte, ohne daß eine Barriere zwischen ihnen war.
    Der Chief hatte eine rasche Expedition in die Küche unternommen, um dem Sergeant einen Kübel mit Eis und eine Flasche Sodawasser zu holen, denn Abner Boone war ehemaliger Alkoholiker, der seit zwei Jahren keinen Tropfen mehr angerührt hatte.
    »Ich bin vorbeigekommen, um Rebecca abzuholen«, erklärte Boone, »aber sie essen immer noch. Ich hoffe, ich störe Sie nicht, Sir.«
    »Ganz und gar nicht«, sagte der Chief herzlich. Er deutete auf seinen Schreibtisch. »Steuerkram. Ich habe eine ganze Nacht daran gesessen. Aber sag mal, wie kommt ihr mit dem neuen Captain klar?«
    Ungefähr fünfzehn Minuten lang fachsimpelten die beiden Männer über die Abteilung, wobei die meisten Neuigkeiten von Boones Seite kamen: wer befördert worden, wer versetzt, wer in den Ruhestand getreten war.
    »Sie holen die alten Schnüffler wieder in die Reviere«, erzählte er Delaney. »Die Spezialtrupps waren nicht so gut, wie man sich das vorgestellt hatte.«
    »Das habe ich auch gelesen«, sagte der Chief mit einem Nicken. »Aber einige der Leute aus den Sonderabteilungen behalten sie doch, oder?«
    »Ein paar. Ich gehöre im Moment selber zu einer größeren Einheit, die von Midtown North aus operiert.«
    »Das freut mich für dich«, sagte Delaney warm. »Wie viele Leute hast du zur Verfügung?«
    Boone rutschte ungemütlich hin und her. »Na ja…, vor einem Monat hatte ich fünf. Im Augenblick habe ich vierundzwanzig, und morgen früh stößt noch ein Lieutenant dazu.«
    Der Chief war überrascht. Er betrachtete Boone neugierig. Der Mann wirkte erschöpft, er hatte fahle Ringe unter den Augen. Sein Körper war in sich zusammengesunken, wie geschrumpft vor Müdigkeit.
    Boone war ein großer, dünner Mann mit einem watschelnden Gang und zurückhaltenden Gesten. Er hatte rötlichgelbe Haare und eine bleiche, sommersprossige Haut. Er ging inzwischen wahrscheinlich schon auf die vierzig zu, aber er hatte immer noch diese schüchterne, linkische und etwas bäuerliche Art, dabei ein Lächeln von jungenhaftem Charme.
    Delaney hatte mit ihm im Mordfall Victor Maitland zusammengearbeitet und wußte, was für ein guter Kriminalbeamter er war, wenn er die Finger vom Alkohol ließ. Boone hatte einen langsam, aber klar und analytisch arbeitenden Verstand. Er akzeptierte die Langeweile und die Frustration, die sein Job manchmal mit sich brachte, ohne sich zu beklagen. Und wenn es darauf ankam, Wagemut zu zeigen, dann verwandelte er sich in einen Tiger.
    Der Chief musterte ihn intensiv. Er bemerkte ein leichtes Zittern der schlanken Finger. Alkohol konnte es nicht sein, denn Rebecca hatte ihn erst geheiratet, nachdem er geschworen hatte, das Zeug nie wieder anzurühren. Delaney konnte sich nicht vorstellen, daß Boone eine ganz offensichtlich glückliche Ehe aufs Spiel setzen würde.
    »Sergeant«, sagte er schließlich, »ich muß es dir sagen: du siehst wie eine aufgewärmte Leiche aus. Was ist los?«
    Boone saß vornübergebeugt, die Unterarme auf seinen knochigen Knien.
    Er blickte zu Delaney auf.
    »Wir haben einen Wiederholungstäter«, sagte er. »Mord.«
    Der Chief starrte ihn an.
    »Bist du sicher?« fragte er.
    Boone nickte.
    »Bisher nur zwei«, sagte er, »aber es ist dieselbe Handschrift, ganz zweifellos. Wir haben das bis jetzt noch nicht laut werden lassen, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis irgendein cleverer Reporter zwei und zwei zusammenzählt.«
    »Zwei ähnliche Morde?« meinte Delaney zweifelnd. »Könnte ein Zufall sein.«
    Der Sergeant seufzte und straffte sich. »Vielleicht sehen wir Gespenster«, gab er zu. »Aber seit dieser ›Son of Sam‹-Geschichte reagiert jeder in der Abteilung supernervös auf beginnende Mordserien. Die ›Son of Sam‹-Sache hätten wir eher durchschauen müssen. Erst die Ballistiker haben uns darauf gebracht. Vielleicht sind wir alle jetzt etwas zu schnell bei der Hand, wenn es darum geht, zwei beziehungslose Morde miteinander in Verbindung zu bringen und ›Massenmörder‹ zu schreien. Aber nicht in diesem Fall.«
    Chief Edward X. Delaney starrte ihn an, ohne ihn wirklich zu sehen. Er spürte die vertraute Erregung, die Herausforderung. Und mehr

Weitere Kostenlose Bücher