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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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sich auch nicht die Mühe gemacht hatten abzusagen. Und zum Teil, weil sie an jenem Tag zum erstenmal ihre Periode bekommen hatte. Sie hatte zu bluten begonnen und große Angst gehabt, weil sie dachte, es würde vielleicht nie mehr aufhören.
    Eine Woche nach ihrem gemeinsamen Abendessen rief Ernest Mittle an. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß er sich wirklich melden würde — Männer taten das nie —, und so brauchte sie einen Moment, um sich zu erinnern.
    »Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, sagte er.
    »Oh nein«, antwortete sie. »Nein.«
    »Wie geht es Ihnen, Zoe?«
    »Sehr gut, danke. Und Ihnen?«
    »Ausgezeichnet«, sagte er mit seiner hellen, jungenhaften Stimme. »Ich rufe in der Hoffnung an, daß Sie vielleicht für morgen abend noch keine Pläne haben und wir zusammen essen und hinterher ins Kino gehen könnten, oder so.«
    »Das tut mir leid«, sagte sie rasch. »Ich habe nämlich schon etwas vor.«
    Er sagte, das sei schade, und wenn er dürfe, würde er es ein andermal wieder versuchen. Verlegen plauderten sie noch ein paar Minuten und hängten dann auf.
    »Sei nicht zu bemüht, Zoe«, hatte ihre Mutter ihr eingeschärft. »Sonst haben die Männer den Eindruck, daß du es darauf anlegst oder leicht zu haben bist.«
    Sie wußte nicht genau, ob es an den Ermahnungen ihrer Mutter oder an ihr selbst lag, in jedem Fall war sie gar nicht sicher, ob sie Ernest Mittle überhaupt wiedersehen wollte.
    Er rief erneut an, und diesmal nahm sie seine Einladung an. Sie war für Samstag abend, was sie als gutes Omen betrachtete. New Yorker Männer verabredeten sich mit den Frauen der zweiten oder dritten Wahl nur an Wochentagen. Samstag abend war für die Favoritinnen reserviert.
    Ernest Mittle bestand darauf, sich mit ihr im Foyer ihres Hauses zu treffen. Von dort aus nahmen sie ein Taxi zu einem französischen Restaurant.
    Zoe Kohler saß entspannt an ihrem Tisch, rauchte eine Zigarette, trank hin und wieder von ihrem Weißwein, lauschte dem Plaudern der anderen Gäste und hatte für einen Moment das Gefühl, sichtbar zu sein und zur Welt zu gehören.
    Nach dem Dinner gingen sie zu dem Kino, in dem der Film lief, den sie sehen wollten. Es wartete bereits eine lange Schlange davor. Er blickte sie verzagt an. »Ich habe keine Lust zu warten«, sagte er. »Sie?«
    »Nicht unbedingt«, sagte sie. Und dann, ohne richtig nachzudenken, fügte sie hinzu: »Warum gehen wir nicht einfach zurück in meine Wohnung und sehen fern oder unterhalten uns?«
    Etwas passierte mit seinem Gesicht; einen Sekundenbruchteil verzerrte es sich. Aber dann war er wieder der treue Spaniel, darauf aus, zu gefallen, ein hoffnungsvolles Lächeln auf den Lippen. Er schien sich ständig für irgend etwas entschuldigen zu wollen.
    »Das klingt nicht schlecht«, sagte er.
    »Ich fürchte nur, ich habe nichts zu trinken im Haus«, sagte sie.
    »Wir werden irgendwo anhalten und ein paar Flaschen Weißwein mitnehmen«, sagte er. »Einverstanden?«
    »Eine ist mehr als genug«, versicherte sie ihm.
    Die Erinnerungen an ihre Jugend in Minnesota und Wisconsin waren inzwischen erschöpft. Jetzt bekam ihre Unterhaltung zögernd, beinahe ängstlich, einen mehr persönlichen Charakter. Sie entdeckten eine neue Beziehung: man verstellte sich, zog sich zurück, stellte den anderen auf die Probe. Beide benahmen sich ziemlich hölzern vor Schüchternheit und Verwirrung.
    In der Wohnung servierte sie den Weißwein mit Eiswürfeln. Er saß in einem Sessel, die kurzen Beine ausgestreckt. Er trug einen Tweedanzug mit Weste und wirkte beladen, fast gebeugt unter dem Gewicht seiner Kleidung. Seine Füße waren winzig.
    Sie saß mit angezogenen Beinen in einer Ecke der Wohnzimmercouch. Ihre Schuhe hatte sie abgestreift, die Füße verschwanden unter ihrem grauen Flanellrock. Sie fühlte sich erstaunlich wohl. Keine Spannung. Er jagte ihr keine Angst ein. Wenn sie gesagt hätte »Hau ab«, wäre er gegangen, dessen war sie sicher.
    »Warum haben Sie nicht geheiratet?« fragte sie plötzlich, um herauszufinden, ob er vielleicht schwul war.
    »Wer würde mich schon haben wollen«, sagte er und zeigte seine kleinen weißen Zähne. »Abgesehen davon, Zoe, muß man heute nicht mehr unbedingt heiraten.«
    »Vermutlich«, sagte sie vage.
    »Sind Sie für die Frauenbewegung?«
    »Nicht wirklich«, antwortete sie. »Ich weiß nicht viel darüber.«
    »Ich auch nicht«, sagte er. »Aber was ich gelesen habe, klingt logisch und vernünftig.«
    »Einige dieser Frauen sind so —

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