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Die dritte Todsuende

Die dritte Todsuende

Titel: Die dritte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Brise, diesem Duft nach Wärme und Wachsen, vertrieben worden. Die untergehende Sonne hüllte die Stadt in ein sanftes, liebliches Licht und ließ die scharfen Kanten und spitzen Winkel der Stadt weich erscheinen.
    Mittle wohnte in einem fünfstöckigen Ziegelsteinbau. Das Haus schien gut erhalten; der schmiedeeiserne Zaun war frisch gestrichen und der kleine Garten dahinter gepflegt. Die Briefkästen und Klingelschilder aus Messing in dem kleinen Foyer waren auf Hochglanz poliert. Sie hatte kaum geklingelt, da drückte er schon auf den automatischen Türöffner. Er erwartete sie freudig strahlend vor der geöffneten Wohnungstür, gab ihr einen Kuß auf die Wange und führte sie dann stolz in seine Wohnung. Das erste, was sie sah, war eine Vase mit frischen Gladiolen. Er mußte die Blumen gekauft haben, um ihren Besuch zu würdigen. Sie war gerührt.
    Sie betrachteten einander und brachen in Gelächter aus. Sie waren am Telefon übereingekommen, sich für das Dinner nicht besonders in Schale zu werfen. Zoe trug einen grauen Flanellrock, einen dunkelbraunen Rollkragenpullover und Mokassins. Ernest trug eine graue Flanellhose, einen dunkelbraunen Rollkragenpullover und Mokassins.
    »Partnerlook!« rief sie aus.
    »Unisex!« sagte er.
    »Hier ist unser Dessert«, sagte sie und hielt ihm die Kuchenschachtel hin. »Garantiert keine Kalorien.«
    »Jede Wette«, sagte er spöttisch. »Setzen Sie sich, Zoe. Das hier ist der bequemste Stuhl in der ganzen Wohnung — aber das heißt nicht viel.«
    Während er in der winzigen Kochnische beschäftigt war, zündete Zoe sich eine Zigarette an und ließ ihre Augen durch das Appartement schweifen. Es war ein einziger, rechteckiger Raum, aber groß und gut proportioniert, mit einer hohen Decke. Er lag nach vorn hinaus; zwei große Fenster zeigten auf die 20th Street.
    Das Badezimmer lag neben der Kochnische, die aus nicht mehr als einem kleinen Herd, einer Spüle, einem Kühlschrank und ein paar Schränkchen bestand. In der Mitte des großen Zimmers stand ein hölzerner Küchentisch mit Plastikuntersetzern. Es gab zwei Armsessel, ein ausziehbares Sofa, einen Cocktail-Tisch. Für Helligkeit sorgten zwei Lampen im Flur und zwei Tischlampen. Ein Fernsehapparat, ein Radio und ein randvolles Bücherregal komplettierten die Einrichtung. Decke und Wände waren weiß getüncht.
    Am besten an diesem kleinen Appartement gefiel Zoe die Sauberkeit. Sie glaubte nicht, daß Ernest am Nachmittag durch die Wohnung geschossen war, um alles für ihren Besuch vorzubereiten. Bestimmt sah es immer so aus: die Bücher in Reih und Glied auf ihren Regalen, der Sofabezug straff, Schreibtisch und Lampen abgestaubt — alles ordentlich und comme il faut.
    Ernest brachte zwei Daiquiris in Whiskeygläsern. Er setzte sich in den zweiten Sessel und zog ihn herum, so daß er Zoe gegenübersaß. Ängstlich wartete er ab, als sie den ersten Schluck nahm.
    »Okay?« fragte er.
    »Mmm«, erwiderte sie, »genau richtig. Ernie, haben Sie Ihre Vitamine genommen?«
    »Oh, ja. Regelmäßig. Ich weiß nicht, ob es nur der Placebo-Effekt ist, aber ich fühle mich wirklich besser.«
    Sie nickte. Schweigend blickten sie einander an. Schließlich sagte er nervös: »Ich habe leider nichts zum Knabbern oder so.
    Eigentlich wollte ich ja Hamburger und gebackene Kartoffeln machen — erinnern Sie sich? —, aber dann habe ich mich doch für etwas entschieden, das meine Mutter früher immer gekocht hat: Hackbraten mit Kartoffelbrei und Erbsen. Ich habe auch ein Glas Spaghettisauce gekauft, die man über das Fleisch und die Kartoffeln streichen kann. Wenn es nicht mißlingt, wird es bestimmt sehr gut schmecken. Wie auch immer, deswegen habe ich jedenfalls nichts zum Knabbern besorgt; ich dachte, wir hätten genug zu essen, und alles andere würde uns nur den Appetit verderben.« Er hielt inne und versuchte zu lachen. »Mein Gott, ich rede drauflos wie ein Verrückter. Ich möchte ja bloß, daß alles in Ordnung ist.«
    »Das ist es bestimmt«, versicherte sie ihm. »Ich mag Hackbraten sehr gerne.«
    Er wandte sich wieder dem Kochen zu. Zoe erhob sich und wanderte mit ihrem Drink in der Hand in der Wohnung herum. Sie betrachtete die gerahmten Reproduktionen an der Wand, inspizierte die Bücher in dem Regal — in erster Linie Taschenbücher, Biographien und geschichtliche Abhandlungen — und beugte sich über die Fotografien auf dem Schreibtisch.
    »Ihre Familie?« fragte sie.
    »Was?« rief er und lehnte sich aus der Kochnische.

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