Die dritte Todsuende
eine kleine Pfütze auf der Fliese unter ihrem Fuß.
Sie umwickelt ihren Schenkel mit Toilettenpapier, das auch in mehreren Schichten noch schnell durchweicht. Darüber legt sie ein Handtuch und verschnürt es, so fest sie kann. Sie humpelt ins Schlafzimmer, um Nicks Krawatte zu holen und das Handtuch damit noch fester zu binden.
Sie kleidet sich so schnell wie möglich an, verzichtet aber auf die Strumpfhose, die sie in ihre Tasche stopft. Sie wischt ihre Fingerabdrücke von den Armaturen über dem Waschbecken. Sie unternimmt keinen Versuch, ihr eigenes Blut aufzuwischen — ein unmögliches Unterfangen — und läßt die vollgesogenen Handtücher auf dem Boden zurück.
Sie zieht ihren Mantel an, wirft sich die Schultertasche um. Im letzten Moment fällt ihr das Tampon ein; sie hebt es auf und verstaut es in ihrer Tasche. Es weist keine Flecken auf. Sie blickt sich ein letztes Mal um.
Der mit klaffenden Wunden bedeckte Mann liegt schlaff auf dem Boden. Er ist leer, seiner brutalen Kraft, seines ungestümen Lebens beraubt.
Sie nahm ein Taxi nach Hause und war kurz nach elf Uhr abends wieder in ihrem Appartement. Sie hatte ihren Trenchcoat getragen, obwohl die Nacht viel zu warm dafür war. Aber sie fürchtete, ihr Kleid könnte durch das Handtuch um ihr Bein das Blut aufgesogen haben.
Und so war es auch; die Vorderseite ihres Kleides wies einen großen roten Fleck auf. Sie zog sich aus, nahm vorsichtig das Handtuch ab und befreite sich von dem nassen Papier. Der Blutfluß war geringer geworden, aber der dünne Schnitt näßte immer noch.
Sie wusch ihn mit warmen Seifenwasser, trocknete ihn ab und strich dann mit in Wasserstoffsuperoxyd getauchten Q-Tips darüber. Anschließend legte sie einen sauberen Verband aus Mull und Leukoplast an. Die Wunde pochte, aber der Schmerz war nicht unerträglich.
Erst nachdem der Verband saß, ging sie in die Küche und schüttete, an der Spüle stehend, einen doppelten, eiskalten Wodka herunter, so schnell sie schlucken konnte. Dann streckte sie ihre rechte Hand aus. Die Finger zitterten nicht.
Im Badezimmer wusch sie sich sorgfältig, dann ging sie langsam ins Schlafzimmer und setzte sich auf die Bettkante. Sie fühlte sich müde bis in die Knochen. Alles an ihr schmerzte, pulsierte, wund und aufgerissen. Sie fühlte sich bar jeglicher Verteidigung, bloßgelegt. Eine Berührung hätte sie aufschreien lassen.
Ihr Abenteuer begann bereits zu verblassen, verlor seine harten, scharfen Konturen. Sie konnte es sich nicht einmal mehr in der Erinnerung ausmalen, war sich nur noch eines chaotischen Durcheinanders von Lärm, Gewalt und dem Sprühen heißen Bluts bewußt. Aber all das war jemand anderem widerfahren, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort.
Sie öffnete das Schlafzimmerfenster, achtete aber darauf, daß die Jalousie ganz heruntergezogen war. Die Bettlaken fühlten sich kühl und behaglich an, aber die Decke war zu warm; sie schob sie von sich.
Während sie wachlag, betäubt, mit flatterndem Herzen, und auf den Schlaf wartete, versuchte sie, sich jener Momente zu erinnern, da sie überzeugt gewesen war, die Liebe würde ihrer Seele Erlösung bringen.
8
Am Nachmittag des 10. Mai, jenem Samstag, als Zoe Kohler und Ernest Mittle im Central Park ihren roten Luftballon fliegen ließen, saß Edward X. Delaney zusammen mit Sergeant Abner Boone und anderen Polizeibeamten in einem überfüllten Büro des Reviers Manhattan Nord. Sie unterhielten sich über den Mord an Leonard T. Bergdorfer im Cameron Arms Hotel.
Außer Delaney und Boone waren bei der Konferenz noch anwesend: Lieutenant Martin Slavin, dessen Rolle bei den Operationen des Sonderkommandos, das gebildet worden war, um den Taten des Hotel-Rippers ein Ende zu setzen, sich nurmehr auf die administrative Seite beschränkte.
Sergeant Thomas K. Broderick, ein Beamter, der seit mehr als zwanzig Jahren in der Detective Division war und davon die meiste Zeit in Manhattan Nord verbracht hatte.
Detective First Grade Aaron Johnson, ein Farbiger mit großer Erfahrung bei der Bekämpfung terroristischer Auswüchse von Minderheiten und anarchistischer Einzelgänger.
Detective Second Grade Daniel (»der schmucke Dan«) Bent-ley, der sich auf Hotelverbrechen spezialisiert hatte, besonders Raub, Schmuckdiebstahl, Betrug und so weiter.
Detective Lieutenant Wilson T. Crane, bekannt für seine wissenschaftliche Befähigung und Kenntnisse in Computertechnologie.
Sergeant Boone eröffnete die Diskussion, indem er kurz die
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