Die Druidengöttin
Vaters«, log Morgana.
Keely wurde kreidebleich und wich wie vom Donner gerührt einen Schritt zurück. War es ein Fehler gewesen, nach Schloß Ludlow zu kommen? Nein – Megan hatte sich nie geirrt, wenn sie etwas gesehen hatte. Etwas stimmte hier nicht. Keely konnte die gefährliche Mischung aus Angst und Haß beinahe sehen, die ihre Halbschwester umgab.
»Ich möchte mich für die Störung entschuldigen, die mein Eindringen verursacht hat«, verabschiedete sich Keely steif. »Ich werde ein andermal wiederkommen.«
»Wen soll ich Seiner Gnaden melden?« ließ Morgana nicht locker.
Keely zwang sich zu einem Lächeln. »Sagt Seiner Gnaden, daß seine Tochter ihn besuchen wollte.«
»Betrügerin«, zischte Mrs. Ashmole; aus ihrem Mund klang das wie ein Fluch.
Keely merkte, daß Odo und Hew vor sie treten und eingreifen wollten. Mit einer Hand hielt sie die beiden zurück.
»Mein Vater hat zwischen Shropshire und London Dutzende von Bastarden gezeugt. Selbstverständlich erkennt er sie niemals an«, erklärte Morgana giftig, was so gar nicht zu ihrem engelsgleichen Aussehen paßte. »Dobbs!«
Der Majordomus der Talbots, der offensichtlich in Hörweite geblieben war, um nichts zu versäumen, kam in den Saal geeilt.
»Werft diesen Bastard aus meinem Schloß«, befahl Morgana.
Dobbs blickte zu Keely, zögerte und ging dann auf sie zu. Der fürchterliche Anblick der zwei walisischen Riesen, die ihm in den Weg traten, ließ den Diener erstarren.
»Es besteht kein Anlaß, sich Umstände zu machen, Mr. Dobbs«, erklärte ihm Keely, ihre Haltung bewahrend. »Ich finde den Weg selbst hinaus.«
Blind vor Tränen floh Keely aus dem Saal die Stufen hinunter. Beinahe wäre sie in der Hast, mit der sie der erlittenen Erniedrigung zu entkommen suchte, mit einem jungen Mann zusammengestoßen.
Der fünfzehn Jahre alte Henry Talbot, der einzige Sohn und Erbe des Herzogs, trat schnell zu Seite, um dieser wunderschönen Vision, die ihm da entgegenflog, Platz zu machen.
Wer war sie? Ein neuer Dienstbote? Während er ihr nachblickte, dachte Henry, daß er gerne mit ihr seiner neuen Lieblingsbeschäftigung nachginge – der Liebe.
Als er sich umwandte, um seinen Weg die Treppe hinauf fortzusetzen, sah Henry sich zwei Riesen gegenüber. Er sprang ihnen aus dem Weg und blieb, den Rücken an der Wand, stehen. Falls es sich hier um die Aufpasser der jungen Dame handelte, würde er sich nie ihrem Zauber hingeben können.
Mit einem schnellen Blick vergewisserte Henry sich, daß er nicht mehr Gefahr lief, niedergetrampelt zu werden. Der Weg war frei, und er eilte in den großen Saal, wo seine Schwester vor Wut schäumte.
»Wie kann diese Schlampe es wagen, so mir nichts dir nichts in diesen Saal zu marschieren!« wütete Morgana, während sie vor dem Kamin auf und ab ging.
»Beruhigt Euch, Mylady«, erhob Mrs. Ashmole die Stimme. »Dieses Frauenzimmer ist nichts als eine geldgierige Betrügerin.«
Morgana drehte sich um und runzelte die Stirn. »Sie wird es auf keinen Fall wagen, nochmals hier aufzutauchen.« Aus den Augenwinkeln erspähte die blonde Schönheit ihren jüngeren Bruder. »Mrs. Ashmole, bitte laßt mich alleine, mein geliebter Bruder kommt zu Besuch.« Bei diesen Worten verzog sie den Mund zu einem Lächeln, das jedoch nicht die Augen erreichte.
Henry schnaubte verächtlich, als die alte Dame den Saal verließ. Wenn seine Schwester lächelte, verhieß das nichts Gutes – und in der Regel für ihn.
»Ashmole kann so langweilig sein«, erklärte ihm Morgana. »Obwohl ich zugebe, daß ihre Ergebenheit ungewöhnlich ist.«
»Ashmole wird für ihre Ergebenheit gut bezahlt«, entgegnete Henry. »Was hattest du vorhin für eine hübsche Lady zu Besuch?«
»Die Schlampe war keine Lady«, zischte Morgana. »Das Biest besaß die Frechheit, hier hereinzumarschieren und mit Vater sprechen zu wollen.«
»Hübsch war sie jedenfalls.«
»Auf eine gewöhnliche Art vielleicht.«
Henry unterdrückte ein Lächeln und musterte seine Schwester aus den Augenwinkeln. Daß sie dem Mädchen ein solches Lob zukommen ließ, überraschte ihn.
»Was wollte sie denn?« fragte er.
»Das Miststück hatte vor, Vater zu erzählen, sie sei seine lange verlorene Tochter.«
»Glaubst du denn, daß sie wirklich ...?«
»Anbetracht dieser veilchenblauen Augen und dem verfluchten Drachenanhänger besteht kaum ein Zweifel, wer ihr leiblicher Vater ist«, unterbrach Morgana ihn. »Wie das Vater wieder ähnlich sieht, seine Bastarde über das
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