Die Druidengöttin
seine Brust drücken würde. Seine Tochter würde er sie nennen, und sie würde Vater zu ihm sagen. Gemeinsam würden sie Megan beweinen. Dann würde ihr Vater ihr versprechen, sie zu lieben und zu schützen und die Wunden zu heilen, die die achtzehn Jahre ihr zugefügt hatten, in denen sie einander nicht gehabt hatten.
Was für eine wunderbare, rührende Szene. Zu wunderbar. Schwarze Gedanken begannen, diesen vollkommenen Tagtraum zu verdunkeln.
Wohin sollte sie gehen, wenn Robert Talbot ihr den Rücken kehrte? fragte Keely sich. Vor vielen Jahren hatte er ihre Mutter verlassen. Woher hatte Megan dieses blinde Zutrauen genommen, daß dieser verantwortungslose englische Herzog seine uneheliche Tochter lieben und sie vor aller Welt anerkennen würde? Schließlich war sie nur ein Bastard.
Und Rhys! Sie hatte nicht einmal eine Chance gehabt, sich von ihrem geliebten Bruder zu verabschieden. Was hatte Rhys getan, nachdem er entdeckt hatte, daß sie verschwunden war, verstoßen von Madoc?
Jemand klopfte an die Tür und riß sie aus ihren düsteren Gedanken. Es war Odos Stimme, die rief: »Bist du bereit, kleines Mädchen?«
»In ein paar Minuten bin ich soweit.«
Keely kletterte aus dem Zuber und trocknete sich ab. Sie zog einen leichten Wollrock an, so veilchenblau wie ihre Augen, und dazu eine langärmelige weiße Leinenbluse mit einem tiefen, runden Halsausschnitt. Dann stieg sie in ihre schwarzen Reitstiefel und legte sich den juwelenbesetzten Drachenanhänger an, der sich auf dem strahlenden Weiß der Bluse funkelnd abhob.
Anschließend bürstete sie sich das Haar und bändigte die ebenholzschwarze Mähne in einem Zopf. Schließlich öffnete sie die Tür und bat ihre Cousins herein.
»Habt ihr gebadet?« fragte sie die beiden und musterte sie von Kopf bis Fuß. Als sie wie zwei Riesenbabys brav nickten, fügte sie hinzu: »Ich muß schon sagen, ihr seht gut aus.«
»Du siehst auch wunderschön aus, kleines Mädchen«, gab Odo das Kompliment zurück. »Bist du nun bereit, deinen Vater aufzusuchen?«
Obwohl sich der Magen bei diesen Worten zusammenkrampfte, hob Keely entschlossen den Kopf. »So bereit, wie man nur sein kann.«
»Sollen wir unsere Sachen mitnehmen?« fragte Hew.
»Wir holen sie später«, antwortete Keely mit einem Lächeln, das sowohl ihre beiden Cousins wie sie selbst ermutigen sollte. Dann nahm sie ihren Mantel und machte sich auf den Weg, ihre Cousins auf den Fersen.
Der Stallknecht hatte bereits Merlin und die Pferde ihrer Cousins gesattelt und in den gepflasterten Innenhof geführt. Die drei stiegen in die Sättel und machten sich auf den Weg nach Schloß Ludlow.
Das Dorf Ludlow und die Hügel, in die es eingebettet lag, zeigten sich in zeitloser Schönheit. Die Sonne stand an einem wolkenlosen Himmel, und aus dem Westen wehte ein leichter Sommerwind. Hübsch anzusehende, reetgedeckte Häuser waren über die dicht bewaldeten Hügel verstreut, und bunte Wildblumen – dunkelviolette Disteln, blaue Kornblumen, orange und rosa Zistrosen, Goldruten und blaßrosa Majoran – blühten üppig auf den Wiesen.
Schließlich tauchte Schloß Ludlow vor ihnen auf, grau und bedrohlich, wie ein in Stein verwandeltes, urzeitliches Ungeheuer. Keely stockte der Atem. Vor Angst verkrampfte sich ihr der Magen, ihr Herz schlug wild. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie wirklich Angst. Mit all diesen Ungewißheiten zu leben, war wahrlich nicht einfach.
Keely zwang sich, ein paarmal tief Luft zu holen. Sie mochte ein Feigling sein, aber niemand brauchte das zu wissen.
»Oben auf dem Turm ist die Flagge des Herzogs gehißt«, rief Odo und deutete nach oben.
»Dann ist der Herzog zu Hause«, fügte Hew hinzu.
»Ich fühle mich nicht wohl«, erklärte Keely, die der Mut verlassen hatte. Sie versuchte, Merlin zu wenden. »Versuchen wir es doch morgen. Ich bin sicher, bis dahin geht es mir wieder besser.«
»Jetzt bist du soweit gekommen, nun mußt du deinen Weg zu Ende gehen«, entgegnete Odo und versperrte ihr mit seinem Pferd den Weg.
Widerstrebend nickte Keely. Am liebsten wäre sie den ganzen Weg nach Hause, nach Wales, zurückgaloppiert, aber es gab nur den Weg nach vorne.
Da in England Frieden herrschte, konnten Keely und ihre zwei Begleiter ungestört über die stets heruntergelassene Zugbrücke und die äußeren Befestigungsanlagen in den inneren Hof reiten. Niemand hielt sie auf oder befragte sie, bis sie das Hauptgebäude erreicht hatten.
»Was ist Euer Begehr?« Der Mann, offensichtlich
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