Die Druidengöttin
bezahlen. Aber wie? Sich an einem der mächtigsten Peers Ihrer Majestät zu rächen, schien so gut wie unmöglich.
Einem anderen Angst einzujagen ist falsch, hörte Keely die Stimme ihrer Mutter sie schelten.
Keelys Wut war so schnell verflogen, wie sie gekommen war. Doch mit der Wut war auch ihre ganze Kraft verschwunden. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt. Ihre niedrigeren Triebe – deren Ursprung zweifellos in dem schlechten englischen Blut zu suchen war, das durch ihre Adern floß – mußten strikt unter Kontrolle gehalten werden. Wenn sie diesen unseligen Kräften nachgab, würde dies gewiß zu ihrem Untergang führen.
»Was sollen wir nun machen?« fragte Hew, als sie alle drei zu Tisch in der Gaststube saßen.
»Keely wartet einen oder zwei Tage«, meinte Odo, »und dann versucht sie noch einmal, ihren Vater zu sehen. Diesmal gehen wir zur Abendbrotzeit nach Schloß Ludlow, da treffen wir den Herzog gewiß an.«
»Ich kann nicht nach Ludlow zurück.« Keely schüttelte traurig den Kopf. »Dieses Mädchen – meine Halbschwester – will mich dort nicht sehen.«
»Vielleicht wollte sie nur vorsichtig sein«, wandte Odo ein.
»In ihren Augen konnte ich deutlich sehen, daß sie erkannte, wer ich bin«, widersprach Keely. »Sie fühlt sich durch mich bedroht.«
»Du bist die Tochter des Herzogs«, warf Odo ein, »genauso wie sie.«
»Nicht ganz genauso«, berichtigte ihn Keely. »Ich bin der Bastard des Herzogs.«
»Ich denke, wir sollten wieder nach Hause gehen«, erklärte Hew. »Rhys wird uns vor Madoc beschützen.«
Keelys Gesicht spiegelte ihre abgrundtiefe Traurigkeit. »Die Prinzessin von Nirgendwo ist eine Frau ohne Zuhause«, flüsterte sie mit gebrochener Stimme. »Es ist nicht nötig, daß ihr mein Exil mit mir teilt. Ich wünsche, daß ihr beide nach Wales zurückkehrt.«
Odo griff nach ihrer Hand, und Hew legte seine Hand auf ihre beiden Hände.
»Wir drei stehen das gemeinsam durch«, erklärte Odo.
»Das hätte ich nicht besser sagen können«, bekräftigte Hew.
»Klar hättest du das nicht«, meinte Odo. »Weil du ein hirnverbrannter Idiot bist.«
Keely mußte über die beiden lachen und wollte gerade das Wort ergreifen, als die Tür zur Gaststube aufflog und ihre Aufmerksamkeit gefangennahm. Gekleidet in die Livree des Herzogs von Ludlow betrat ein herzoglicher Bote die Schenke. Er ließ den Blick über die spärlichen Gäste schweifen und trat auf sie zu.
Als er ihren Tisch erreichte, erkundigte sich der Mann: »Seid Ihr die Frau, die heute morgen auf Schloß Ludlow war?«
Unruhig kaute Keely auf ihrer Lippe, bevor sie schließlich nickte.
Der Bote zog ein Pergament hervor und reichte sie ihr.
Einen langen Augenblick starrte Keely verwirrt zunächst den Mann und dann das Pergament in ihrer Hand an. Langsam öffnete sie es und las. Schließlich sah sie auf und schenkte dem Boten einen veilchenblauen Blick und ein Lächeln.
»Soll ich auf ein Antwortschreiben warten?« erkundigte sich der Bote freundlich, von ihrem bezaubernden Lächeln hingerissen.
»Bitte bestellt, ich möchte mich bedanken.«
Der Bote nickte und verließ ohne ein weiteres Wort den Gasthof.
»Laß mich die Nachricht sehen«, sagte Hew.
»Du kannst doch nicht lesen«, erinnerte ihn Odo.
»Du auch nicht«, schoß Hew zurück.
»Habe auch nicht behauptet, daß ich es kann«, hielt Odo dagegen. »Na, kleines Mädchen, sind das gute Nachrichten?«
»Ich habe einen Bruder namens Henry«, erzählte ihnen Keely. »Er schreibt, unser Vater wird in der dritten Septemberwoche in seine Residenz nach London zurückkehren. Er ist sicher, daß ich dort ohne Einmischung seitens Lady Morgana mit ihm sprechen kann.«
»Das sind in der Tat gute Nachrichten«, meinte Odo.
»Brechen wir jetzt gleich nach London auf?« flehte Hew. »Ich hätte es nie zu träumen gewagt, daß ich den Tag erlebe, an dem ich in das Herz unserer Feinde reise.«
»Natürlich gehen wir nach London.« Odo versetzte seinem Bruder einen Klaps. »Keely muß doch ihren Vater treffen.«
»Es ist nicht nötig, daß ihr beide mich nach London begleitet«, erklärte ihnen Keely. »Ich bin sicher, daß ich allein zurechtkomme.«
»Glaubst du wirklich, wir würden dich alleine reisen lassen?« fragte Odo.
»So leicht wirst du uns nicht los«, fügte Hew hinzu.
»Ich wollte euch nie loswerden«, antwortete Keely. »Na gut, haben wir genug Münzen, um unsere Ausgaben zu bezahlen?«
»Na na, kleines Mädchen, jetzt fang nicht an, dir den Kopf
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