Die Druidengöttin
meinen leiblichen Vater zu suchen.«
»Und du hast nicht nur Papa gefunden, du fandest auch Devereux. Der Rest ist Geschichte«, bemerkte Henry. »Wie sehen eure Heiratspläne aus?«
Keely zuckte die Achseln. »Die Gräfin von Cheshire und Richard, glaub ich, haben alles geplant. Ich brauche nur anwesend zu sein. Wußtest du, daß es Männer am Hofe der Königin gibt, die sich Rouge auflegen?«
»Eitles Geckenpack«, brummte der Junge.
Schnatter! Schnatter! Schnatter!
Keely und Henry blickten in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Seinen Aufpassern entkommen, watschelte Anthony so schnell auf sie zu, wie er nur konnte.
»Was hältst du von diesem Schoßtier der Gräfin?« fragte Henry.
»Anthony hat ein besseres Leben, als sich die meisten wünschen können«, meinte Keely. »Am besten gefällt mir sein Halsband mit den Smaragden und Diamanten.«
Der quakende Gänserich blieb vor Keely stehen, die es sich zur Angewohnheit gemacht hatte, ihn nachmittags zu füttern. Sie langte in ihre Tasche und holte eine Scheibe Brot heraus, die sie beim Mittagessen für ihn aufgehoben hatte und nun für den fetten Gänserich in kleine Stücke brach. Anschließend winkte sie seinen beiden Aufpassern, Bart und Jaspers, die ihn wieder an die Leine legten und wegführten.
»Freundschaft ist dort, wo wir sie finden«, sagte Keely schließlich mit einem Seitenblick auf ihren Bruder. »Sogar eine Gans oder ein Schwein oder ein Baum kann der Freundschaft wert sein.«
Henry lächelte. Seine Schwester war liebenswürdig, aber zweifelsohne etwas merkwürdig. Müßte er zwischen den beiden wählen, würde er Keely stets Morgana vorziehen. Liebenswürdig und etwas merkwürdig war angenehmer als selbstsüchtig, oberflächlich und biestig.
»Wirst du bei meiner Hochzeit dabeisein?« fragte Keely ihn. »Odo und Hew bräuchten jemand, der auf sie aufpaßt, während der Graf und ich uns um die Gäste kümmern.«
»Wann findet die Trauung statt?«
»Wir heiraten in der Woche nach Samhuinn.«
»Wann ist das?«
»Samhuinn ist das Fest, das die Kirche Allerheiligen und Allerseelen nennt«, erklärte ihm Keely. »Diese beiden Tage und der Abend davor sind drei Tage voller Magie, wenn der Schleier zwischen unserer Welt und der unserer Ahnen sich lüftet. Wer bereit ist, kann in die andere Welt reisen.«
»Glaubst du wirklich, man kann diese Welt verlassen und einfach so in ...«, meinte Henry ungläubig.
»Die Vergangenheit und die Zukunft reisen«, beharrte Keely. »Das ist eine herrliche Zeit, wenn das Chaos regiert. Feiern die Engländer das nicht?«
Henry blickte ihr tief in die Augen. »Wie feiern die Waliser dieses Fest?«
»Mit Gelagen und Maskenfesten und Streichen.«
»Maskenfesten und Streichen?« wiederholte er interessiert.
»Drinnen und draußen werden große Feuer angezündet, und üppige Mahlzeiten werden aufgetischt.«
»Und was ist mit den Masken und den Streichen?«
»Man trägt seine Kleidung verkehrt herum und schmiert sich Ruß ins Gesicht, so daß man von den bösen Geistern nicht erkannt wird«, fuhr Keely fort. »Drei Tage lang darf man jedermann Streiche spielen – und zwar ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.«
»Ich kann es kaum erwarten«, meinte Henry und rieb sich die Hände. Seine blauen Augen funkelten verschmitzt, als er hinzufügte: »Jemandem die Zwetschge zu zeigen, ist der einzige englische Allerheiligenbrauch.«
»Wie geht das?«
Henry ballte die rechte Hand zur Faust und steckte den Daumen zwischen dem Zeigefinger und dem Mittelfinger durch. »Siehst du«, sagte er und hielt die Hand hoch, »das ist die Zwetschge. Man zeigt sie an Allerheiligen seiner Familie, seinem Freund oder Geliebten. Es bedeutet soviel wie ›Ich mag dich‹.«
»Was ist daran so besonders?« wollte Keely wissen. »Das kann man doch jeden Tag machen.«
»Es ist nun mal ein englischer Brauch«, beharrte Henry. »Du würdest doch auch nicht einem Freund in der Mittsommernacht ein Neujahrsgeschenk überreichen, oder?«
»Nein.«
»Wir geben unseren Freunden das Neujahrsgeschenk an Neujahr und an Allerheiligen zeigen wir ihnen die Zwetschge, verstehst du?«
Keely schenkte ihrem Bruder ein bezauberndes Lächeln und nickte.
»Der Gräfin von Cheshire einen Streich zu spielen, das wär‘s«, wechselte Henry das Thema und stellte sich vor, wie die riesigen Brüste der Gräfin vor Angst bebten. »Was meinst du?« Als sie nickte, fuhr er fort: »Rück näher, wir wollen doch nicht, daß uns jemand
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