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Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden

Titel: Die duemmsten aus meiner Klasse sind Lehrer geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Frydrych
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wühlt man oft stundenlang vergeblich.
    Also heben Lehrer alles auf. Wenn sie Zeit haben, archivieren sie nach feinsinnigen Systemen und finden auf Anhieb das Testament der Gräfin Muschwitz aus dem Jahre 1848. Die Kollegen, die ich kenne, haben allerdings keine Zeit für so was und bauen Stapel für Stapel rund um ihren Schreibtisch, auf allen Treppenstufen und allen verfügbaren Schränken und Regalen. Manche halten sich sogar Zeitschriftensammlungen direkt neben dem Klo. Andere lagern Materialien in die Schule aus, sofern sie dort einen freien Kubikmeter Stauraum finden. Es gibt überfüllte Schränke in Klassenräumen und Lehrerzimmern, deren Inhalt niemandem mehr zuzuordnen ist. Aber kann man die Mikroskope, Metronome, Turnhosen und Marmeladengläser mit halbgekeimter Walnuss einfach wegwerfen? Lieber legt man sie im schwer zugänglichen Oberschrank ab. Der erste klinisch attestierte Messie soll ein Lehrer gewesen sein.
    Nun erreichen zurzeit immer mehr Kollegen das Pensionsalter und misten richtig aus. Wahrscheinlich haben sie eine Feng-Shui-Fortbildung gemacht: Wer Keller, Garage, Schreibtisch, Schränke und Kisten entrümpelt, schafft nicht nur Platz für Neues, sondern befreit sich vor allem geistig-seelisch! Oft nimmt das Leben danach dramatische Wendungen! Man wandert nach Tasmanien aus oder macht seinen Flugschein. Solche Lebensänderungen können natürlich auch beängstigend sein, deshalb suchen sich manche lieber eine größere Wohnung oder bauen einen Wintergarten an, bevor sie sich von ihren Ordnern und Pullundern trennen.
    Alle Lehrer fragen sich am Ende ihres Berufslebens, was sie mit den vielen Schulsachen machen sollen. Einfach wegwerfen? Die kann doch noch jemand brauchen! Also werden die Schätze in der Schule ausgelegt. Mit kleinen Zetteln dran: »Zum Mitnehmen!« Gerade die jüngeren Kollegen freuen sich ungemein über eingerissene Plastikhefter, Aquarellfarbkästen mit nur noch fünf Brauntönen und Bleistifthalter aus der Nachkriegszeit. Begeistert sammeln sie gelungene Unterrichtsentwürfe von 1973, alte Schülerzeitungen und Blumentöpfe ein. Raffen unvollständige Schachspiele und Duden aus der Zeit vor der Rechtschreibreform an sich. Nur »Norwegisch für Fortgeschrittene« und »Düngen für Anfänger« liegen immer noch im Lehrerzimmer rum.
    Die neue Deutschfachleiterin will ihren Elan sofort unter Beweis stellen. Sie räumt auf. Leider ohne vorher über jedes einzelne Arbeitsblatt Rücksprache zu nehmen. Sensationelle Texte zur Rolle der Frau in Papua-Neuguinea landen im Müll. Urkundenformulare für Bundesjugendspiele aus den achtziger Jahren (weibliche Jugend) ebenso. Wertvollste Dia-Sammlungen, ein schlaffer Fußball und nie genutzte Schallplatten (»Heinrich George liest Adalbert Stifter«) verschwinden über Nacht. Zerfetzte Schulbücher lagern vorm vollen Altpapiercontainer. Ein Deutschlehrer rettet in letzter Sekunde einen Satz Lesebücher für den 10. Jahrgang. Darin steht eine wichtige Parabel von Kafka! Andere Rettungsversuche misslingen. Die Kollegen sind bestürzt. Sammlungen von historischer Bedeutung einfach in den Müll zu werfen! Die neue Deutschfachleiterin wird einen schweren Stand haben. Ihr einziges Verdienst ist, dass sie die Küchenecke und den Kühlschrank gleich mit aufgeräumt hat. An die überlagerten Milchtüten und Käse-Scheibletten hat sich seit Jahren niemand getraut. Und den Tee aus der grusinischen Volksrepublik trank ohnehin keiner. Aber dass daneben auch die Videokassette mit »König Ottokars Glück und Ende«, einer Aufzeichnung aus den Berner Kammerspielen von 1958, entsorgt wurde, ist unverzeihlich.

Geld stinkt nicht
Leistungsprämien für Lehrer
    A n jedem Monatsersten treffen wir Lehrer uns um 6.30 Uhr in der Aula. Manche nervös, andere siegessicher. Der Schulleiter verteilt Leistungsprämien. Alle Lehrer und Lehrerinnen beziehen seit zwei Jahren ein Grundgehalt von 1.125,- Euro. Wer mehr will, muss sich mehr anstrengen. Wie in der freien Wirtschaft. Dort gibt es auch Belohnungen für besonders Engagierte. Und »Minderleister« werden liquidiert, äh, eliminiert, also entlassen.
    Meine Mathe-Kollegin hat heute hektische Flecken im Gesicht. Ihre Leistungskontrollen im 10. Jahrgang sind miserabel ausgefallen. Sie muss mit deutlichen Lohnabzügen rechnen, ihr Versagen vor dem Kollegium analysieren und sich zu mehrwöchigen Fortbildungen verpflichten. Lahme Ausreden, dass diese Klasse besonders schwierig und leistungsschwach sei, ziehen nicht.

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