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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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zugesprochen worden waren. Ab diesem Zeitpunkt hatte sich ihr Leben verändert. Alles, was sie zuvor getan und wozu sie sich hergegeben hatte, um überleben zu können, war seitdem vorbei. Die Hurenbänder hatte sie abgelegt und nie wieder an ihre Kleidung geheftet. Sie war eine Frau mit den Bürgerrechten dieser Stadt, und als eine solche wollte sie auch wahrgenommen werden.
    »Seid gegrüßt. Wo finde ich den Ratsherrn von Goossen?«
    Der Büttel, der sich vor einer der Türen im Erdgeschoss postiert hatte, sah kurz auf. Es war ungewöhnlich, dass einzelne Zimmer im Rathaus bewacht wurden, zumindest wenn keine Versammlung stattfand. Margrite vermutete, dass mit dieser Maßnahme den Unruhen der letzten Zeit Tribut gezollt wurde.
    »Der wird beim Bürgermeister sein. Die Treppe rauf und dann die letzte Tür am Ende des Korridors.«
    »Habt Dank.«
    Mit ruhigen Schritten stieg sie die Stufen hinauf. Oben angekommen, kam ihr auf dem Flur ein zweiter Büttel entgegen, der sie aufmerksam musterte und auf gleicher Höhe mit ihr stehen blieb.
    »Wer seid Ihr, und wohin wollt Ihr?«
    »Ich bin die Bürgerin Margrite Schonau und suche den Ratsherrn Siegbert von Goossen.«
    »Der ist beim Bürgermeister.«
    Margrite wartete, doch der Büttel bewegte sich nicht von der Stelle.
    »Würdet Ihr dann wohl so gütig sein mich zu melden?«
    »Wenn Ratsherr von Goossen und Bürgermeister Doneldey etwas zu besprechen haben, wünschen sie keine Störung. Im Übrigen erwarten wir den Medicus. Ratsherr von Goossen hat einen Schwächeanfall erlitten.« Er biss sich auf die Lippen, zu spät wurde ihm bewusst, dass er die letzte Auskunft wohl besser nicht erteilt hätte. Gegenüber Dritten von einer Schwäche des hohen Ratsherrn von Goossen zu sprechen wäre diesem gewiss nicht recht, würde er davon erfahren.
    »In Eurem eigenen Interesse würde ich Euch empfehlen, dass Ihr Siegbert von Goossen meldet, die Frau, die er erwartet, sei hier.«
    »Warum habt Ihr nicht gleich gesagt, dass Ihr erwartet werdet?«, beschwerte sich der Büttel. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging zur hintersten Tür, klopfte und lauschte, bis ihn eine Stimme im Innern des Raums einzutreten bat. Der Büttel öffnete darauf die Tür und meldete den Besuch. Dann wandte er sich wieder an Margrite.
    »Der Ratsherr ist unpässlich. Er kann jetzt niemanden empfangen.«
    Margrite vernahm seine Antwort mit Erleichterung. Sie hatte die Zusage gegeben, Anna hierherzubringen und sich daran gehalten. Wenn sie nun nicht zu von Goossen vorgelassen wurde, lag es nicht an ihr.
    Auf einmal hörte sie laute Stimmen, und einen Moment später trat Siegbert von Goossen an dem Büttel vorbei aus der Tür.
    »Ihr seid nicht die Frau, die ich erwarte.«
    Margrite nickte kurz zur Bestätigung, meinte dann aber schnell: »Nein. Aber ich bin in ihrem Auftrag da. Sie möchte erst wissen, was Ihr von ihr wollt, bevor sie herkommt.«
    Er drehte sich um und sagte in den Raum hinein: »Ich werde mich in mein Haus zurückziehen. Der Medicus mag mich dort aufsuchen.«
    Die Antwort des Bürgermeisters war für Margrite nicht verständlich, doch da trat von Goossen schon auf sie zu und griff nach ihrem Oberarm. »Kommt!«
    Sie ließ sich von ihm einige Schritte führen, bis sie kurz vor dem Treppenabsatz standen. »Sagt mir, wo ich die Frau finden kann.«
    Margrite verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn nur an. Er war eine hochaufragende, beeindruckende Erscheinung, und seine Körperhaltung verriet ihr, dass die Menschen für gewöhnlich taten, was er forderte. Weshalb sie es statt einer Antwort auch vorzog, den Kopf leicht schräg zu legen und ihn nur anzusehen. Er verstand die Geste sofort.
    »Ich will nur mit ihr sprechen.«
    »Weshalb?«
    »Das werde ich nur ihr sagen.«
    »Dann werdet Ihr es ihr wohl gar nicht sagen.«
    »Was denkst du dir, Weib?« Er spie die Worte heraus und hob drohend die Hand.
    Margrite blieb nach außen völlig ungerührt. Nichts in ihrem Gesicht verriet ihr wildes Herzklopfen.
    Er atmete laut aus, ließ aber den Arm sinken. »Es hat mit ihrer Mutter zu tun.«
    »Ihre Mutter ist tot.«
    »Das weiß ich, verdammt noch mal.«
    »Was wollt Ihr dem Mädchen dann berichten?«
    Wieder packte er sie am Arm, doch diesmal grob, und funkelte sie wütend an. Sie hob stolz den Kopf, als könnte nichts, was er sagte oder tat, ihr auch nur das Geringste anhaben. Ihr unerschrockenes Auftreten zeigte Wirkung. Von Goossen merkte, dass er dieses Weib ganz offensichtlich nicht

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