Die Duftnäherin
Rücken mit einem Vertrag zu tun?«
»Aber das liegt doch auf der Hand.« Anderlin machte eine bedächtige Pause. »Wenn dein Rücken dich mal wieder peinigt, kannst du nicht einfach aussetzen, sondern musst trotzdem weiterarbeiten, um dein Geld zu verdienen. Wenn du nun aber einen Lehrjungen hättest, der in einigen Jahren Geselle wird und der deine hervorragenden Arbeiten in der gleichen Qualität wie du herstellen kann, werden die Leute bewundernd zu dir aufblicken und sagen: Jordan, ja, der hat’s richtig gemacht. Ein weiser Mann, wer beizeiten seine Nachfolge regelt.«
»Und was hat das mit meinem Rücken zu tun?«
»Himmel, Jordan, sei doch nicht so stur!«
Gawin sah seine Felle davonschwimmen. Jordan war der beste Zimmermann weit und breit, das hatte er von allen zu hören bekommen und wusste es auch selbst. Er hatte es deshalb als Privileg betrachtet, von ihm unterwiesen zu werden. Doch er machte sich nichts vor. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Jordan sich seiner endgültig nicht mehr entsinnen konnte und ihn auf die Straße setzte. Mit einem schriftlichen Vertrag könnte er auch dem Meister gegenüber die Vereinbarung belegen. Er könnte sie außerdem in der Werkstatt gleich über seinem Arbeitsplatz aufhängen, damit ein jeder sehen konnte, dass er und seine Arbeit eine Zukunft besaßen. Und zwar eine, die ihn in die Kreise der Zunft führen würde.
Schweigend hatte er die Unterredung der beiden verfolgt. Er wollte sich gerade enttäuscht abwenden, als Jordan ihn ansprach.
»Und du willst diesen Vertrag, um weiter für mich zu arbeiten?«
»Das wäre wunderbar, Meister.«
»Und wenn du ihn nicht bekommst, dann gehst du?«
»Nein, dann bleibe ich trotzdem.« Die Worte waren, ohne dass er darüber nachgedacht hatte, einfach so aus Gawin herausgesprudelt, und einen Augenblick lang fragte er sich selbst, ob sie der Wahrheit entsprachen.
»Na, dann«, Jordans Blick war wieder auf Anderlin gerichtet, »soll der Bengel sein Schriftstück bekommen. Such mir einen Schreiber. Aber einen, der hierher in die Werkstatt kommt. Ich habe keine Zeit, für so etwas meine Arbeit zu unterbrechen.«
»Ich danke Euch, Meister!« Gawin war überglücklich und schüttelte Jordan heftig die Hand, nach der er im Überschwang seiner Gefühle gegriffen hatte. »Ich danke Euch von Herzen!«
»Na, na, nicht so wild. Sonst reißt du mir noch den Arm ab und musst schon ab sofort die ganze Arbeit allein machen.«
Anderlin klopfte Gawin wohlwollend auf die Schulter. Er hatte noch einen langen Weg vor sich, bis er die Gesellenprüfung ablegen würde. Doch der Junge würde es schaffen, dessen war er sich sicher.
Hanno schaute zu, wie die Schiffe im Hafen an- und ablegten, ihre Ladung löschten und neue Fracht aufnahmen. Er hatte schon so viele Stunden und Tage auf diese Weise verbracht, dass er inzwischen genau zu sagen vermochte, wie schwer eine Kogge beladen war und ob es sich für ihn lohnte, beim Abladen zu helfen.
Er zog seine Flöte hervor und spielte ein fröhliches irisches Liedchen. Sein Blick schweifte über das rege Treiben auf dem Kai. Dabei beobachtete er auch zwei kleine Jungen, ungefähr sieben oder acht Jahre alt, die bei den Schiffern vorstellig wurden, um diesen ihre Dienste anzubieten. Doch sie hatten bei keinem Erfolg. Offenbar hielt man sie für zu jung und schwach, als dass man einen Nutzen aus ihrer Arbeit zu ziehen glaubte. Das brachte Hanno auf einen Gedanken. Er steckte seine Flöte weg und schlenderte zu den zwei Jungen hinüber, die, enttäuscht und leise vor sich hin fluchend, auf einem der Findlinge in der Nähe des Kais saßen.
»He, ihr, was wollt ihr hier?«
Der größere der beiden sah ihn finster an. »Was schert dich das?«
»Du hast ein ganz schön freches Mundwerk, Kleiner.«
»Musst mir ja nicht zuhören.«
Hanno schmunzelte. »Sucht ihr Arbeit?«
»Und wenn’s so wär, was geht’s dich an?«
»Vielleicht könnte ich euch helfen. Aber wenn ihr knurrig seid wie hungrige Köter, lass ich es wohl lieber.«
»Wir sind hungrig wie hungrige Köter«, sagte der kleinere leise.
»Und man gibt euch keine Arbeit, weil ihr zu klein und schwach ausseht?«
Die Jungs senkten den Kopf, was Hanno als Antwort genügte.
»Was haltet ihr davon, wenn ihr für mich arbeitet?«
»Für dich? Was ist das für eine Arbeit, und wie viel gibst du uns dafür?«
»Ein kleiner Geschäftsmann, was?« Es klang freundlich. »Ihr macht genau die Arbeit, die ihr den Bootsführern angeboten habt.
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