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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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Gefällt dir der Gedanke nicht?«
    Erst jetzt bemerkte Anna, dass Margrites Blick noch immer auf ihr ruhte.
    »Und wie er mir gefällt.« Sie umarmte ihre Freundin heftig. »Ich danke dir vielmals.«
    »Vielleicht freust du dich nicht mehr so sehr, sobald du feststellst, wie viel Geld du mir zu bezahlen hast.« Es klang warm und herzlich, und Annas Umarmung wurde darauf noch fester.

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    35 . Kapitel
    Ü ber ganz Köln schien eine Glocke aus Blut und Tod zu liegen. Egidius lehnte sich erschöpft in seinem Kontor an die Wand und schloss die Augen. Was er in den vergangenen Stunden gesehen und erlebt hatte, war weit über seine Vorstellungskraft hinausgegangen. Er wusste, dass er nie ein guter Mensch gewesen war, und gab sich auch nicht dem Wunschglauben hin, dass der Herr ihm seine begangenen Taten dereinst vergeben und ihm den Eintritt ins Himmelreich nicht verwehren würde. Schon lange lebte er in der Gewissheit, dass er einst zu den Verdammten gehören würde. Seit seinen frühen Kindheitstagen war ihm dieses Wissen wie eine Offenbarung vorgekommen, eine Art Wegweiser, der ihm zeigte, wie er seine Tage auf Erden nutzen sollte. Eine innere Stimme wies ihn an, sich von allem und jedem so viel zu nehmen, wie er nur konnte, ohne Rücksicht zu nehmen. Nach seinem Tode erwarteten ihn eh nichts anderes als die Hölle und das ewige Fegefeuer. Deshalb war es nur recht und billig, wenn er zu seinen Lebzeiten mitnahm, was er konnte, um dadurch den ihm bevorstehenden Qualen im Jenseits besser trotzen zu können.
    Er war zehn Jahre alt gewesen, als der Bruder seiner Mutter ihn an die Hand genommen und ihm einige Münzen zugesteckt hatte. Danach waren sie auf den Gauklermarkt gegangen, der zweimal im Jahr Einzug in der Stadt hielt. Akrobaten vollführten dort wilde Kunststücke, Komödianten tanzten umher, Lieder wurden gespielt, und die Menschen lachten ausgelassen über das, was ihnen dargeboten wurde. Der Geruch von Süßspeisen lag Egidius ebenso in der Nase wie der deftiger Braten und Speisen, frischer Brote, Wein und Bier.
    Seine Eltern hatten ihm stets nur verdünnten Wein zu trinken gegeben, doch an diesem Tag bekam er erstmals einen vollen Becher gewärmten Würzweins und danach noch einen zweiten. Das Lachen der Schausteller wurde danach zu einem alles übertönenden Dröhnen, die bunten Kostüme und Masken lösten sich vor ihm auf, Wärme glühte in seinem Innern, und der Zuckergeschmack der kandierten Früchte liebkoste seine Zunge.
    Irgendwann war es angenehm ruhig um ihn herum geworden, als die Gaukler längst verschwunden waren und sein Onkel mit ihm in dessen Haus einkehrte. Obwohl die Musik schon lange verklungen war, drehte sich Egidius noch immer im Kreis und tanzte zu nicht mehr hörbaren Klängen. Sein Onkel saß auf einem Stuhl, beobachtete, wie er um seine eigene Achse kreiselte, und reichte ihm mehr und mehr Würzwein. Irgendwann war er zu erschöpft gewesen, um sich noch weiterzudrehen, und so war er glücklich auf die Lagerstatt niedergesunken, die ihm der Onkel angeboten hatte, und genoss die zarten Berührungen, die seinen ganzen Körper vor Wonne erbeben ließen. Einen kleinen Moment, nur einen ganz kurzen Augenblick, lichtete sich der Schleier und gab ihm klare Sicht auf das, was folgen würde. Doch die Fingerspitzen glitten sanft über seinen Leib und lösten einen wohligen Schauer nach dem anderen aus. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages blendeten ihn durch das geschlossene Fenster hindurch. Er schloss die Augen und gab sich ganz seiner Lust hin, ohne Druck, Gewalt oder Angst. Nur mit dem Genuss eines Jungen, der nie zuvor in seinem Leben eine solche Zärtlichkeit erfahren hatte. Egidius lächelte bei der Erinnerung an diesen Tag und das Geschenk, das sein Onkel ihm damit gemacht hatte. So war es noch viele Jahre lang gegangen. Einmal wöchentlich war er zu ihm gegangen, sie hatten getrunken und sich geliebt, ohne dabei je an so etwas wie Schuld, Sünde oder Unmoral zu denken. Die jungen Mädchen, die sich Egidius anbiederten und ihre Körper dem seinen näherten, fand er abstoßend und widerlich. Er verachtete sie ebenso wie seine Eltern, die ihn mit den Töchtern ihrer Geschäftspartner zusammenbrachten und ihm so manche Gesellschaft aufzwangen, die seine Abscheu ins Unermessliche steigerte. Er seufzte bei der Erinnerung an die glückliche und erfüllende Zeit mit seinem Onkel. Es war eine Zeit ohne Sorgen und Nöte, ohne Hass und Eifersucht gewesen, die an dem Tag für ihn geendet hatte,

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