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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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sich in Bremen einzuleben, war für Margrite die Sache klar gewesen. Sie hatte Anna sogar beim Fortschaffen ihrer Habseligkeiten geholfen und sie mit so viel Seife ausgestattet, dass die Jüngere Hunderte neuer Kleider damit bestücken konnte. Anna ließ es sich außerdem nicht nehmen, mindestens einmal täglich bei ihrer ehemaligen Hauswirtin vorbeizukommen, mit ihr gemeinsam Seife zu sieden und etwas Zeit zu verbringen. Das erste Mal seit dem Tod ihrer Mutter fühlte sie sich wieder einer Familie zugehörig. Sie lebte und arbeitete bei ihrem Großvater, hatte in Esther und Gawin eine jüngere Schwester und einen älteren Bruder gefunden und in Margrite und Anderlin eine Art Ersatzeltern, die ihr mit Rat und Tat zur Seite standen.
    Fröhlich schwang sie ihren Korb und trällerte ein Liedchen, während sie auf dem Weg zu den Marktständen vor dem Dom war, um dort einige frische Waren zu besorgen. Sie war allein, denn Esther hatte sich an diesem Morgen nicht wohl gefühlt und war deshalb nicht mitgekommen. Es war nicht der Körper, der der Freundin zu schaffen machte, sondern ihre gequälte Seele, und Anna konnte nur allzu gut nachvollziehen, wie sich Esther fühlen musste. Zwar hatte die Jüdin selbst kaum ein Wort über die Vorgänge in Köln verloren, doch man sah ihr deutlich an, wie sehr die Erinnerungen sie Nacht für Nacht peinigen mussten, bis ihnen das Licht des Tages wieder etwas von ihrem Schrecken nahm.
    Anna kaufte einige kandierte Früchte, die einer der Händler zu jeder Jahreszeit anbot. Wie immer reichte er ihr über den Tresen eine der Süßigkeiten zum direkten Verzehr, die Anna ebenfalls wie immer mit einem Lächeln annahm. Was für eine unglaublich Wende ihr Leben doch genommen hatte! Hier in Bremen hatte sie von Anbeginn an nur Glück und Gelingen erfahren und das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl, von allen Menschen in ihrer näheren Umgebung gemocht und geschätzt zu werden. Und sie hatte keine Geldsorgen mehr, sondern konnte sich erstmals schöne Dinge leisten und auch anderen mit einem Geschenk ab und an Freude bereiten. Sie liebte es, sich selbst zu verwöhnen. Es gab nur eine Sache, die sie trotz all ihres Glücks noch plagte. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Großvater ihr nicht die ganze Wahrheit über den damaligen Weggang ihrer Mutter und die Heirat mit Helme erzählt hatte. Stets verstand er es, ihre Unterhaltung, sobald sie auf diesen Punkt zu sprechen kam, geschickt in eine andere Richtung zu lenken. Ein Umstand, den Anna sehr wohl bemerkte und der sie zunehmend bedrückte. Doch sie sagte sich, dass sie vielleicht zu ungeduldig war. Schließlich kannte sie den Mann, dessen Blut durch ihre Adern floss, erst seit wenigen Wochen. Also würde sie Geduld beweisen, wenngleich dies keine ihrer Stärken war, und beschloss, es einstweilen auf sich beruhen zu lassen. Irgendwann, so sagte sie sich, würde der richtige Moment gekommen sein. Und bis dahin hätte sie genug Möglichkeiten, all das, was Siegbert und Bremen ihr boten, ausgiebig zu genießen. Sie grüßte den Händler zum Abschied und ging dann, ein Lied summend, ihres Weges.
    Da hatte sie plötzlich wie schon einige Male zuvor das Gefühl, beobachtet zu werden. Schnell drehte sie sich in alle Richtungen um. Das erste Mal, als sie geglaubt hatte, jemand würde sie observieren, hatte sie dies noch auf den Umstand geschoben, dass sie nach wie vor befürchtete, ihr Vater könne sie hier aufspüren – mochte sie auch noch so weit von Lünen entfernt sein. Erst die Sicherheit, die Margrite und auch Siegbert ihr gaben, hatte dieses Gefühl abgeschwächt. Und aus welchem Grund sollte sie hier in Bremen auch jemand beobachten? Zumal sich Helme, so er sie denn gefunden hätte, niemals damit begnügt hätte, sie nur auszuspähen. Doch hier und jetzt, mitten auf dem Markt zwischen all den vielen geschäftigen Menschen, packte sie erneut die Angst und ließ sie immer wieder in alle Richtungen blicken. Und dann sah sie ihn. Sollte er sich zuvor noch versteckt oder so getan haben, als interessiere er sich nicht für sie, hatte er nun seine Deckung aufgegeben. Der junge Novize, der an der nächsten Hausecke stand und sie unverhohlen anstarrte, konnte nicht viel älter als sie selbst sein. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er sie unentwegt an. Dabei wirkte er weder ängstlich noch zornig, und Anna konnte sich keinen Reim darauf machen, was er von ihr wollte. Einen Lidschlag lang sah sie zu Boden und überlegte, ob sie den Fremden stellen und

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