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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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beschloss, dem Reittier und sich die nötige Ruhe zu gönnen, um am Folgetag frisch und erholt den nächsten Streckenabschnitt meistern zu können. Auf dem Weg begegneten ihm einige Bauern, die nach des Tages harter Arbeit mit müden Knochen von den Feldern heimkehrten.
    »Seid gegrüßt. Ich suche eine Unterkunft für die Nacht. Gibt es eine Schänke in der Gegend, in der ich auch das Pferd wechseln kann?«
    »Es gibt eine, aber glaubt mir, dort wollt Ihr gewiss nicht unterkommen, Herr. Aber wenn es nur für Euch ist, Ihr Euer Pferd gegen ein frisches auswechseln und das alte, bis Ihr zurückkommt, gut versorgt wissen wollt, kann ich Euch einen Platz in meiner Scheune anbieten. Mein Weib ist eine gute Köchin, und ich mache Euch einen angemessenen Preis.«
    »Was verlangst du für die Nacht?«
    »Für Euch fünf Groschen, für das Pferd nochmals fünf.«
    Wyland war zu müde, um zu verhandeln. Der Bauer verstand sein Zögern jedoch falsch.
    »Na gut, vier Groschen für den Gaul, aber dabei bleibt’s. Immerhin bekommt der Zossen frisches Heu, bis Ihr ihn wieder abholt, und Ihr selbst am Abend und am Morgen eine gute Mahlzeit.«
    »Na dann, betrachte mich als deinen Gast.«
    Ein Grinsen huschte über das Gesicht des anderen. Neun Groschen waren viel Geld, zu viel für eine einfache Übernachtung und die Unterstellung eines Pferdes, wie er fand. Doch dem Fremden sah man an, dass er es entbehren konnte, und er, seine Frau und die Bälger würden es gut gebrauchen können. Zufrieden zeigte er seinem Gast den Weg zu seiner kleinen Kate mit dem angrenzendem Stall, gab seinem Weib Bescheid, den Mann zu versorgen, und war zufrieden mit dem heutigen Tag, der ihm zuletzt noch einen unerwarteten Münzregen beschert hatte.
    Wyland brach in aller Frühe wieder auf. Das Pferd des Bauern war wider Erwarten kein Ackergaul, sondern ein kräftiges Tier, auf dem der Bauer regelmäßig in die nächste Stadt zu reiten pflegte. Außerdem hatte Wyland besser geschlafen, als er es sich hätte wünschen können. Zum Frühstück setzte ihm die Frau des Bauern wie schon am Abend zuvor Brot, Butter und sogar zwei Scheiben Schinken vor. So reich bewirtet, gab ihr Wyland noch einen Groschen zusätzlich, den sie rasch in der Geldkatze unter ihrem Rock verschwinden ließ. Ihr Mann würde gewiss nichts davon sehen, erkannte Wyland schmunzelnd, verabschiedete sich dann und machte sich auf den Weg.

    Helmes Laune befand sich auf dem Tiefpunkt, als er seinen Heimatort Lünen erreichte. Dort hatte sich in den Monaten seiner Abwesenheit nichts verändert, und er spuckte verächtlich aus. Der Mief und die Enge der kleinen Stadt und die Bescheidenheit ihrer Bürger waren ihm unerträglicher denn je. Deren Gottergebenheit und widerstandsloses Einhalten der gemeinschaftlichen Regeln zuwider. Er überlegte kurz, in die Schänke zu gehen, entschied sich dann aber dagegen. Gerhild und ihr Gezeter würde er jetzt nicht ertragen können, ohne ihr den Hals umzudrehen. Was er sich schlichtweg nicht leisten konnte, wollte er dafür nicht umgehend gelyncht werden. Er stieg vom Pferd, öffnete die Stalltür und gab dem Tier einen kräftigen Schlag auf die Kruppe. Der Schimmel lief hinein, und Helme nahm ihm Sattel und Zaumzeug ab, hatte aber nicht die geringste Lust, das klatschnasse Tier abzureiben. Sollte sich der Gaul nur gleich daran gewöhnen, dass sein Dasein hier kein Zuckerschlecken werden würde. Danach schloss er grimmig das Stalltor und überließ das Pferd sich selbst.
    Er stapfte zu seiner Kate hinüber, die ihm nach den prachtvollen Häusern, in denen er die letzten Wochen gelebt hatte, noch kleiner und schäbiger als sonst vorkam. Als er die Tür öffnete, stieg ihm sofort ein penetranter Verwesungsgeruch in die Nase, der ihn unwillkürlich einen Schritt zurück machen ließ. Das verdammte Wild in seinem Kellerschacht hatte er völlig vergessen. Dem Geruch nach dürfte das Fleisch sich inzwischen verflüssigt haben. Diesen Gestank würde er nie mehr ganz aus dem Haus herausbekommen.
    Einen Augenblick schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass der Verwesungsgeruch womöglich nicht nur von dem Wild ausgehen könnte. Schnell betrat er nun trotz des bestialischen Gestanks das Haus. Die Vorstellung, Annas leblosen und vor Hunger ausgezehrten Körper in einem der Zimmer vorzufinden, hatte sein Glied steif werden lassen. Doch enttäuscht musste er feststellen, dass ihm sein Wunschdenken einen Streich gespielt hatte. Er schalt sich selbst einen Narren. Selbst

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