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Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
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Jordans Seele ins Reich des Herrn einging, zugegen. Er war dein Meister, und du kanntest ihn gut. Wie viel Geld hatte er in seiner Werkstatt aufbewahrt?«
    »Ich kann es nicht genau sagen. Aber Jordan sagte mir mit seinen letzten Atemzügen, dass es den drei Kerlen, die ihn überfallen hätten, kaum reichen würde, sich davon zu betrinken.«
    »Eben das meine ich auch. Man hätte anderswo reichere Beute machen können. Und im Grunde wäre es dann auch nicht nötig gewesen, jeden der Meister gleich zu erschlagen.«
    »Du meinst also, es ging nicht um Geld, sondern um die Meister selbst, um ihre Stellung?«
    Siegbert nickte nachdenklich.
    »Das Aufrührerpack«, er warf Gawin einen wissenden Blick zu, »versucht überall, die gottgewollte Ordnung dieser Stadt aus den Angeln zu heben. Gibt es keine Handwerksmeister mehr, wer soll dann die verschiedenen Gewerke lehren? Die Handwerksburschen, -lehrlinge und -gesellen wollen im Rat ein eigenes Mitspracherecht, obwohl sie ihrem Rang und ihrer Stellung nach dort nichts verloren haben. Sind nun die Meister erst einmal weg, die als vermittelnde Instanz zwischen ihnen und den Ratsherren stehen, ist der Weg für sie frei. Einer muss schließlich die Arbeiten verrichten.«
    »Und du glaubst wirklich, nur um ein größeres Mitspracherecht zu erzwingen, morden diese Leute unschuldige Männer?«, fragte Anna ungläubig.
    Siegbert nickte langsam und nachdenklich.
    »Aber es gibt mehrere Schuhmacher-, Gerber-, Plattner- oder auch Zimmermannsmeister in der Stadt. Was ist mit den anderen Meistern, die verschont geblieben sind?«, gab Gawin zu bedenken.
    Das grimmige Gesicht Siegberts verriet Gawin, dass er eine bittere Antwort auf diese Frage parat hatte. »Das genau ist es ja, was dieses Pack bezweckt. Ihre Nachricht ist angekommen. Ihr Meister da draußen, schließt euch unserer Sache an und erhebt eure Stimme dafür, dass wir mehr Macht bekommen! Oder ihr sterbt!« Das letzte Wort klang so bitter, dass die anderen ihn nur stumm ansahen.
    Siegbert stand auf. »Ich werde zum Rathaus gehen. Sicher werde ich dort schon erwartet. Es müssen Entscheidungen getroffen werden. Vor allem aber sollen diese elenden Mörder gefunden und auf dem Marktplatz gehängt werden.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Was soll ich tun?« Gawins zögerliche Frage ließ Siegberts Wut ein wenig abklingen.
    »Du? Was meinst du?«
    Gawin atmete einmal tief durch. »Mein Meister ist tot«, meinte er schließlich. »Was soll ich nun anfangen?«
    Siegbert zögerte. »Geh in die Werkstatt und arbeite an deiner Madonna«, beschloss er. »Der Leichnam ist längst fortgeschafft, und du bist es deinem Meister schuldig, auch dann weiterzuarbeiten, wenn du nicht weißt, woher dein nächster Lohn kommt. Ich selbst werde ins Rathaus gehen und darüber berichten, dass einer der Toten der Meister meines Enkels ist. Gemeinsam entscheiden wir dann, was zu tun ist.«
    Anna wollte widersprechen, wusste jedoch nicht, welche Begründung sie dafür anführen sollte. Wenn Siegbert erst einmal im Rat verkündet hätte, dass Gawin sein Enkel war, gäbe es keine Möglichkeit mehr, die Geschichte ihrer vermeintlichen Geschwisterschaft richtigzustellen. Verzweifelt suchte sie nach den richtigen Worten und warf Gawin einen flehentlichen Blick zu. Der stand jedoch bereits auf, sah sie noch einmal kurz an und folgte Siegbert dann stehenden Fußes nach draußen.

    Das Schlimmste war die Dunkelheit. Sie wollte es der Kranken so angenehm wie möglich machen, konnte jedoch nur schwer widerstehen, die Fensterläden weit aufzureißen und die frische kalte Winterluft hereinströmen zu lassen. Stattdessen zündete Margrite einige Kerzen an, die wenigstens ein bisschen Licht verströmten, setzte sich zu Binhildis ans Bett und wechselte die Lappen, die sie ihr auf Stirn und Beine gelegt hatte. Deren Körper schien zu glühen, und die schwarzen Flecken, die sich gestern noch leicht auf der Haut abgezeichnet hatten, waren zu Beulen geworden, die jeden Augenblick aufzuplatzen drohten.
    Vorsichtig träufelte Margrite einige Tropfen Wasser auf den Mund der Sterbenden. Kurz bewegte diese ihre Lippen, und auch ihre Lider flatterten kurz, doch sie vermochte nichts mehr zu sagen und konnte auch die Augen nicht mehr öffnen. »Du hast es bald geschafft«, flüsterte Margrite und strich Binhildis sanft das nasse Haar zurück.
    Anderlin betrat den Raum. »Ich hoffe nur, es war kein Fehler, sie herzubringen. Vielleicht hätte ich sie einfach auf der

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