Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Duftnäherin

Die Duftnäherin

Titel: Die Duftnäherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caren Benedikt
Vom Netzwerk:
zuklappen und blickte sich weiter im Raum um, als er Wyland plötzlich laut seinen Namen rufen hörte. Er eilte in den Flur hinaus.
    »Was ist?«, brüllte er nach oben.
    »Das solltest du dir ansehen!«, kam die Stimme seines Begleiters zurück.
    Ohne zu zögern, eilte Cornelius die Stufen hinauf. Nachdem auch im oberen Stockwerk nur zwei Türen zur Auswahl standen, ging er zu der geöffneten hinüber, blieb in ihrem Rahmen aber wie angewurzelt stehen. Wyland stand nur einen Schritt weit von ihm entfernt im Raum, den Blick starr auf den Leichnam gerichtet, der kerzengerade mit einem Seil um den Hals von einem der Deckenbalken herunterbaumelte. Die Augen des Toten waren geöffnet und blickten starr nach oben, die Zunge hing ihm seitlich aus dem geöffneten Mund.

    Unter dem Toten lagen ein umgestürzter Stuhl und ein Schuh, der ihm offenbar vom Fuß geglitten war. Den anderen hatte der Tote noch an. Seine Schultergelenke ragten wegen des Gewichts seiner schlaff nach unten hängenden Arme spitz nach oben, und das Seil um seinen Hals hatte sich derart fest zugezogen und so tief ins Fleisch hineingegraben, dass es kaum noch sichtbar war.
    »Wir haben Lambertus gefunden.« Wyland drehte sich zu Cornelius um. Dieser stand noch immer bleich in der Tür, genauso entsetzt wie er selbst.
    »Glaubst du …?« Er sprach nicht weiter.
    Wyland vollendete den Satz für ihn. »Dass er sich selbst erhängt hat? Nicht einen Augenblick.« Seine Stimme klang nüchtern und kalt. Er räusperte sich. »Hier ist jemand zu Gange gewesen, der vor nichts zurückschreckt.«
    Cornelius nickte. »Wir müssen den Rat informieren und die Büttel kommen lassen.«
    »Warte!«
    Wyland war noch einen Schritt weiter in den Raum getreten und blickte sich um. »Siehst du das?«
    Cornelius drehte sich in alle Richtungen, verstand jedoch nicht, worauf Wyland hinauswollte oder was er meinen könnte. Das Einzige, was er sonst noch im Raum sah, war eine einfache Pritsche, neben der ein Schränkchen stand. Und auf der anderen Seite, dort, wohin Wyland blickte, befand sich noch ein zweites kleines Tischchen mit einem Waschgeschirr darauf samt einem weiteren Stuhl, vor dem einige achtlos heruntergeworfene Kleidungsstücke lagen.
    »Was meinst du?«
    Wyland ging zu dem Stuhl hinüber, legte seine Hände auf die Rückenlehne und sah Cornelius ins Gesicht. »Fällt dir hieran nichts auf?«
    Der Weinhändler schüttelte den Kopf und breitete dann mit einem Schulterzucken wortlos die Arme mit nach oben gedrehten Handflächen aus, um zu bedeuten, dass er den Freund nicht verstand.
    »Der Stuhl«, erklärte Wyland. »Er ist vom Tischchen weggedreht. Die Kleidungsstücke sind achtlos zu Boden geworfen, so als wollte sich jemand nur eine Sitzgelegenheit schaffen.«
    Cornelius wurde es eiskalt, als er begriff, was der Freund ihm damit bedeutete.
    »Der Mörder hat sich hingesetzt und Lambertus beim Sterben zugesehen?« Seine Stimme war nicht mehr als ein leises Wispern.
    Wyland nickte stumm.

    Sie waren fast zeitgleich mit Albrecht wieder in Cornelius’ Haus eingetroffen. Der Schrecken über den Leichenfund, mehr aber noch die Erkenntnis, welchem Dämon sie sich gegenübersahen, steckte ihnen tief in den Gliedern. Als sie Albrecht von ihrem Schrecken berichtet hatten, saß dieser ebenso stumm wie die beiden anderen in Cornelius’ Kontor und starrte in den Becher mit Würzwein, den er zwischen seinen Fingern hin und her drehte.
    Wyland fand als Erster seine Stimme wieder. »Das verändert alles.«
    Albrecht und Cornelius sahen ihn fragend an.
    »Wir können den Mord an Lambertus nicht verheimlichen«, erklärte er. »Auch wenn wir den Auftraggeber ursprünglich dadurch aus der Deckung locken wollten, dass wir den Mord an dem Prediger im Kerker verschweigen, ändert der Tod des Schlüsselmeisters doch alles.«
    Cornelius legte sich nachdenklich den Zeigefinger auf die Lippen. »Vielleicht auch nicht.«
    »Wie das?« Albrecht hob den Blick.
    Cornelius stand auf, stellte seinen Becher auf den Rand des Schreibpults und ging im Raum auf und ab. »Was, wenn wir Lambertus’ Tod anzeigen, die Ermordung des Predigers aber zunächst für uns behalten?« Er ließ seine Worte eine Weile wirken, bevor er fortfuhr. »Albrecht, du hast doch dem Henker gesagt, was er zu tun hat, nicht wahr?«
    Der Angesprochene nickte. »Aber unter diesen Umständen …« Er seufzte. »Wenn der Henker hört, dass der Schlüsselmeister ermordet worden ist, wird er zu Recht davon ausgehen, dass er als

Weitere Kostenlose Bücher