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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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man den Romanschriftstellern, so wünscht sich jedes Fräulein, mit einem feschen jungen Offiziersanwärter durchzubrennen, und niemals, einen alten, fetten, hässlichen Geldsack zu heiraten. Aber sagen Sie mir ehrlich, warum sind dann so viele schmucke Soldaten ledig und all die fetten Geldsäcke in den schönsten Händen?«
    Es war dumm von mir, doch ich ließ mich zu einer Antwort provozieren.
    »Ich werde nie einem Mann das Ja-Wort geben, den ich nicht liebe«, hörte ich mich sagen, obwohl es doch in meiner jetzigen Situation einer schamlosen Lüge gleichkam Das Schlimmste aber war, dass ich dabei von Treuburg-Sassen in seine dunklen Augen sah, deren Blick mir mit unfassbarer Eindeutigkeit klarmachte, dass er keinem meiner Worte auch nur den geringsten Glauben schenkte.
    In mir kochte bei dieser Erkenntnis eine solche Wut hoch, dass ich mich fast vergessen hätte und mit Fäusten auf ihn losgegangen wäre, um ihm seine Arroganz eigenhändig aus dem Leib zu prügeln. So kannte ich den Adel zur Genüge, und wie es schien, hatte sein Standesdünkel bis heute überdauert. Was bildete der feine Herr sich ein, eine Dame so zu provozieren? Auch wenn er aussah wie aus einem Kolportageroman entsprungen, so schön und edel, so benahm er sich doch keineswegs angemessen und war auch nicht wirklich galant, was mich sogleich erzürnte und meinen Widerstand herausforderte, denn ich hasstedie herablassende Haltung, welche besonders gut aussehende Männer von Adel den Frauen oft entgegenbrachten.
    Es war Friedrich, der die Situation rettete, indem er den Leutnant kameradschaftlich in die Seite boxte und scherzend meinte: »Seit wann entlehnst du deine klugen Gedanken bei Hölderlin? Komm, freiheraus! Gib zu, dass es nicht das Leben ist, an dem du verzweifelst, sondern die Liebe!«
    Und lachend zitierte er nun den Dichter im Original: » Größeres wolltest auch du, aber die Liebe zwingt all uns nieder! War es nicht das, was du sagen wolltest, Amadeus? Hast wohl selber zu viel Herz an Frauen verschwendet, die sich von dir beglücken, doch dann von den reichen Geldsäcken zum Altar führen ließen.«
    Der Leutnant fühlte sich ertappt, was man ihm deutlich ansah. »Friedrich, Friedrich«, retournierte er jedoch gewandt, »wer selber im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen! Leiden wir nicht alle an der Liebe und sind wir nicht alle bereit, uns für die Gunst eines so schönen Fräuleins, wie es deine Schwester ist, in den Staub vor ihren Füßen zu werfen, um wenigstens der Teppich zu sein, auf dem sie lustvoll wandelt?!«
    Seine Augen blitzten und ein ironisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Und obwohl er anscheinend witzelte, fühlte ich erneut die Provokation in seiner Rede und erwartete voller Besorgnis, dass er sich tatsächlich im nächsten Augenblick vor meine Füße niederwerfen würde, was in dieser Gesellschaft einen mittleren Skandal ausgelöst hätte.
    So sagte ich recht schnell, um das zu verhindern: »Bin weder Fräulein, weder schön und kann durchaus alleine und ohne Teppich durch Staub und Pfützen geh’n.«
    Alle lachten über mein abgewandeltes Gretchen-Zitat, und Leutnant von Treuburg-Sassen ergriff die Gelegenheit beim Schopfe, mir als Trost für seine Niederlage im Wortgefecht einen Tanz abzuschmeicheln.
    »Ihr mögt zwar gut alleine gehen können«, meinte er spitzbübisch, »aber alleine tanzen könnt Ihr nicht.«
    Und weil er damit nun wirklich recht hatte, nickte ich und gewährte ihm die Gunst des nächsten Tanzes.
    Es war ein Wiener Walzer und er führte so exzellent und schwungvoll, dass ich bald wie in einem Rausch war. Ich tanzte auch den übernächsten Tanz mit ihm und, was absolut unüblich war, noch einen weiteren, und obwohl ich sagte, dass ich nun aber aufhören müsse, hätte ich mich einen Teufel um die Schicklichkeit geschert und mit ihm die ganze Nacht durchtanzt, wenn nicht schließlich mein Atem kürzer geworden wäre und Leutnant von Treuburg-Sassen rücksichtsvoll eine Pause vorgeschlagen hätte.
    Wir waren beide ein wenig atemlos und erhitzt, als wir an die Bar traten, um bei einem Glas Champagner etwas Kühlung zu finden, und dort geradezu in Utz hineinliefen, der uns mit unverhohlenem Missmut unter dem Lorbeerkranz seines Cäsarenkostüms entgegenstarrte. Auch ohne den eisgekühlten Champagner machte sein Blick mich frösteln.
    »Karolus!«, rutschte es mir heraus, und weil es unpassend verwundert klang, fügte ich sehr schnell hinzu: »Darf ich Euch meinen Begleiter

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