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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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überall.
    »Ich weiß«, wisperte ich, »aber ich höre sie früh genug, wenn wir es zwischen zwei Patrouillen schaffen, in eins der Häuser zu gelangen …«
    »Das kann nicht funktionieren.«
    »Robert! Wenn du nicht mitkommen willst, dann bleib hier,aber rede mir nicht immer dazwischen. Ich bin oft genug auf der Westseite gewesen und kenne die Gegend hier genau. Ich weiß, was ich tue.«
    Robert schwieg.
    »Alles klar bei dir, Hannah
?
« Meine Tochter nickte. Sie war blass und die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben, aber sie zögerte nicht.
     
    Ich fand es großartig, wie tapfer meine Mutter trotz ihrer dreizehn Jahre war. Sie hatte mir nie erzählt, dass sie unter so dramatischen Umständen in den Westen geflohen waren. Ich dachte immer, sie wären noch vor dem Bau der Mauer rübergegangen.
     
    »Robert
?
«
    »Ja, ich komme …«
    Wir hörten sich nähernde Schritte von Grenzsoldaten und pressten uns flach an die Mauer eines Hinterhauses. Sie lachten und waren nicht sehr aufmerksam.
    »Dann los!«, gab ich das Zeichen, und als sie hinter der nächsten Häuserecke verschwunden waren, huschten wir wie lautlose Schatten zur anderen Straßenseite hinüber, wo die Häuser direkt an den Westsektor grenzten.
    Wir brachen die verschlossene Tür eines Hauses auf und zogen sie hastig hinter uns zu.
    »Rauf, rauf, in den ersten Stock«, drängte ich flüsternd, denn ich hatte sofort gesehen, dass im Erdgeschoß bereits alle Fenster nach Westen vermauert waren.
    »Hoffentlich sind sie oben noch nicht so weit!«
    Es war ein reines Lotteriespiel. Wir konnten ein Haus erwischthaben, das bereits bombenfest gesichert war, oder aber eines, an dem noch nicht alles zugemauert war …
    Unsere Ungewissheit endete, als wir im Obergeschoss die Stube betraten und mit Erleichterung sahen, dass die Fenster nach Westen nur provisorisch mit Brettern und Holzplatten vernagelt waren.
    Schnell machten wir uns an die Arbeit, diese Barrieren zu entfernen. Wenn wir das erst geschafft hatten, waren wir nur noch einen Sprung von der Freiheit entfernt.
    Robert hielt bereits die letzte Latte in der Hand, als im Treppenhaus ein Tumult einsetzte … Hundegebell ertönte und schwere Tritte polterten die Holztreppe herauf.
    Ich riss Robert die Latte aus der Hand und schleuderte sie in eine Ecke. Mit großer Kraft brach ich die Holzplatte vor dem Fenster weg und stieß die Fensterflügel nach außen auf.
    »Schnell, Hannah, raus mit dir!«
    Ich griff nach meiner Tochter und zerrte sie zum Fenster, fast warf ich sie hinaus. Es waren nur knapp vier Meter bis zum Boden, und da keine Zeit zum Überlegen war, sprang sie ohne Zögern. Doch kaum war sie unten, riss mich jemand vom Fenster zurück und ein Schäferhund verbiss sich in meinem linken Bein. Ich sah, dass Robert von zwei NVA-Soldaten festgehalten wurde und sich vergeblich wehrte.
    Mit vampirischer Stärke schleuderte ich den Köter von mir und warf ihm den Grenzschützer, der mich festhalten wollte, gleich hinterher. Der Hund jaulte erbarmungswürdig auf und zog verblüfft den Schwanz ein, als mir die Vampirzähne aus dem Kiefer brachen und ich mich mit einem bestialischen Knurren auf die Soldaten stürzte, die Robert festhielten. Während ich mich mit ihnen prügelte, kam er frei und lief nun ebenfalls zum Fenster.
    »Komm!«, rief er. »Schnell, Lysette!«
    Ich verpasste dem Soldaten, mit dem ich gerade rang, einen Fußtritt in seine empfindlichste Körperregion und war mit einem gewaltigen Sprung bei Robert.
    »Los doch! Spring! Worauf wartest du noch
?
«, schrie ich, als hinter uns Schüsse knallten und mir die Kugeln nur um Millimeter am Kopf vorbeipfiffen. Ich sprang an Robert vorbei durch das Fenster, und kaum war ich unten angekommen, drehte ich mich nach oben und schrie: »Komm, Robert, spring!«
    Aber er rührte sich nicht, wandte mir noch immer den Hinterkopf zu, dann erst drehte er sich langsam herum … Viel zu langsam, warum zum Teufel beeilte er sich denn nicht etwas mehr
?
!
    Sekunden später schrie ich auf, genau wie die Schaulustigen, die sich inzwischen auf der Straße versammelt hatten.
    In Roberts Stirn klaffte ein blutiges Loch …
    »Vati!«, hörte ich Hannah entsetzt aufkreischen, aber sie wurde sofort von Westberlinern in den Arm genommen. Und auch mich zogen sie schnellstens in den Schutz einer gegenüberliegenden Hauseinfahrt, weil niemand wusste, ob die NVAler nicht auch nach Westen rüberschießen würden. Das wagten sie nicht, aber ich sah sie hinter Robert

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