Die Dunkle Erinnerung
Gunsten entscheiden. Aber als ich herausfand, dass du hinter meinem Rücken einen weiblichen CIA-Officer verwanzt und in eine ausländische Botschaft geschickt hast, damit sie dort einen Diplomaten beleidigt …« Sie streckte ihm die offenen Hände hin. »Was sollte ich da glauben?«
»Erin wäre ohnehin in die Botschaft gegangen, das hatte nichts mit der Abhöranlage zu tun.«
»Hättest du sie doch einfach gelassen und dich nicht drum gekümmert!«
»Das konnte ich nicht. Sie hätte ja etwas erfahren können.«
»Hat sie aber nicht.«
Alec seufzte und wandte den Blick ab. »Abgesehen von ihrer Überzeugung, dass Neville in die Sache verstrickt ist, hat sie nichts erfahren, stimmt.«
»Und was hättest du an meiner Stelle getan?«, fragte Cathy.
Alec gab keine Antwort.
»Hör mal, Alec, du hast Instinkt. Außerdem bist du ein Freund. Aber ich musste doch so handeln, wie es für die Ermittlung am besten war, für die Suche nach Cody Sanders. Ich musste die Dinge ins Lot bringen, bevor sie uns den Stecker rausziehen.«
Alec schaute sie an.
»Du bist von dem Fall abgezogen. Morgen Früh sollst du dich in Quantico melden.«
Auch das hätte er voraussehen sollen. Vermutlich hätte er mit seiner Mitteilung nicht so lange gewartet, wären die Rollen anders verteilt gewesen. Der Mitteilung, dass er keineswegs vorhatte mitzuspielen.
»Ich melde mich nicht in Quantico«, sagte er ruhig.
Cathy schaute ihn bestürzt an, doch Alec hob die Hand, um ihren Kommentar im Keim zu ersticken. »Du sagst, ich habe Instinkt. Nun, da hast du Recht, denn dieser Instinkt sagt mir, dass William Neville bis zu seinem steifen deutschen Genick in der Sache drinsteckt.«
Er klappte seine Aktentasche auf und holte die Ordner heraus, die Erin ihm in Washington gegeben hatte. Eigentlich wollte er Cathy nicht noch tiefer in die Sache hineinziehen, aber nun blieb ihm keine andere Wahl. Er brauchte ihre Mitarbeit, wenn nicht sogar ihre Hilfe.
»Lies das.« Er schob ihr Sams Bericht samt Auswertung zu.
Mit zweifelnder Miene griff Cathy nach den Papieren. Alec wartete, bis sie alles durchgegangen war. »Ich weiß, es ist kein Beweis, aber das sind doch verdammt viele merkwürdige Zufälle.« Nevilles Verbindung zu den Sklavenmärkten der Welt warf ein neues Licht auf seinen Status als Besitzer der Desert Sun. Und dann war da noch Erins ›Assistent‹: Sam.
»Der Mann, dem wir diesen Bericht verdanken, liegt jetzt im Koma.«
»War es ein Unfall?«
»Jemand hat ihn von der Uferstraße in den Potomac abgedrängt.«
»Neville?« Alec sah Cathy an, dass auch sie allmählich die Puzzleteile erkannte, die zwar verstreut, aber doch Teile eines Ganzen waren.
»Was glaubst du?« Falls Alec tatsächlich eine Verbindung zu dem Mann entdeckte, der mit Zaubertricks Kinder anlockte, konnte er vielleicht auch Cody Sanders finden.
»Neville verlässt das Land in achtundvierzig Stunden, zusammen mit dem deutschen Botschafter«, erklärte er. »So viel Zeit musst du mir geben.«
Cathy konnte kaum den Blick von den Berichten wenden. »Was hast du vor?«
»Neville hat ein Haus in der Nähe von Middleburg. Dort fange ich an.«
Besorgt schaute sie auf.
»Ich sehe mich nur um«, versicherte er.
»Was machen wir mit Schultz?«
»Sag ihm, ich hätte mich ohne Erlaubnis von der Truppe entfernt und du kannst mich nicht finden.«
Alec sah, wie sie das Für und Wider seines Vorschlags abwägte.
»Mach mit der Ermittlung weiter«, sagte er. »Lass die Verdächtigen herholen und zur Gegenüberstellung antreten. Finde heraus, ob sie Alibis vorweisen können. Ich brauche Spielraum, um meine Spur zu verfolgen. Wenn die in Quantico mich erst in den Klauen haben, kann ich das vergessen.« Er hielt inne und ließ seine Worte wirken, bevor er seine Trumpfkarte ausspielte. »Wie du gesagt hast: Es geht darum, einen kleinen Jungen und einen mutmaßlichen Serienentführer zu finden. Und wenn ich gegen ein paar Vorschriften verstoßen muss, um diese Aufgabe zu erledigen, dann tue ich's eben.«
»Es könnte dich den Job kosten.«
»Oder Cody das Leben.« Alec schüttelte den Kopf. »Ist doch keine Frage, was wichtiger ist.«
Cathy schaute ihn noch einen Augenblick nachdenklich an, dann seufzte sie. »Okay, Alec. Ich hab dich nicht gesehen. Du hast achtundvierzig Stunden.«
23.
Es war fast Mitternacht, als Erin endlich eintraf. Ihr Büro befand sich in einem gesichtslosen, kastenförmigen Gebäude in einem stadtfern gelegenen Gewerbegebiet von D.C. Die Firma
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