Die dunkle Göttin
stehen, die Hände auf dem Rücken, während Lanitha die Schriftrolle vorsichtig auseinander breitete und die entsprechende Passage suchte.
»Hier ist es!« Die Archivarin trat zur Seite, damit Kaeritha das Dokument selbst in Augenschein nehmen konnte.
»Danke«, sagte sie herzlich, trat an den Tisch und beugte sich über die verblichene, verschnörkelte Handschrift. Das Alter dieses Dokuments war augenfällig, ebenso wie seine Echtheit. Aber die Echtheit von Trisus Abschriften war ebenfalls offenkundig, rief sie sich ins Gedächtnis, und stützte unauffällig ihre linke Hand auf den Knauf ihres Schwertes.
Die Haltung war durchaus natürlich, wenn auch etwas theatralischer, als es Kaeritha lieb war. Als sie das letzte Mal in diesem Raum gewesen war, hatte sie beide Schwerter abgegürtet und auf die Seite gelegt. Sie hoffte, dass Lanitha sie nicht fragte, warum sie das diesmal nicht ebenfalls getan hatte. In diesem Fall würde sie erwidern, dass sie das letzte Mal Stunden hier verbracht hatte, um die Dokumente zu prüfen und sich Notizen zu machen. Diesmal wollte sie nur eine einzelne Passage rasch noch einmal überprüfen. Und sie war, wie Lanithas nachdrückliche Entschuldigung ja betont hatte, ziemlich weit hinter ihrem Terminplan zurück.
Da war es nun. Sie beugte sich vor und studierte die geschraubten Sätze eingehender. Dabei fuhr sie mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand leicht über die entscheidenden Stellen. Nur ein gleichgültiger Archivar hätte uninteressiert mit angesehen, wie jemand diese alten, zerbrechlichen Dokumente berührte, selbst wenn er zuvor seinen Respekt vor der Zerbrechlichkeit des Pergaments gezeigt hätte. Lanitha war jedoch alles andere als gleichgültig oder sorglos. Sie trat einen halben Schritt vor und starrte beunruhigt auf Kaerithas
rechte Hand
Und genau das hatte die Amzone beabsichtigt.
Da Lanitha so auf Kaerithas Rechte fixiert war, entging ihr das schwache bläuliche Flackern um deren linke Hand, die sie auf den Knauf des Paladinschwertes gelegt hatte. Es war zwar nicht sehr hell Tomanâk wusste, wann es nötig wurde, unauffälliger zu sein -, aber für Kaerithas Zwecke genügte es.
»Danke, Lanitha«, sagte sie erneut und trat zurück. Als sie die Hand vom Schwertgriff nahm, erlosch das Flackern augenblicklich. »Mehr brauche ich nicht zu sehen.«
»Seid Ihr sicher, Milady?«, fragte die junge Archivarin ernst, und Kaeritha nickte.
»Ich wollte nur überprüfen, ob ich die Worte richtig in Erinnerung habe«, versicherte sie ihr.
»Darf ich fragen, warum, Milady?«
»Ich stecke noch mitten in meinen Ermittlungen, Lanitha«, erinnerte Kaeritha sie. Die junge Frau senkte den Kopf, als sie den sanften Tadel annahm. Kaeritha betrachtete sie einen Augenblick scharf und zuckte dann betont gelassen die Achseln. »Andererseits«, fuhr sie fort, »wird es am Ende sowieso herauskommen, denke ich.«
»Was wird herauskommen?« Offenbar machte Kaerithas letzter Satz Lanitha kühner.
»Es liegt eine eindeutige Diskrepanz zischen diesen Originaldokumenten und Trisus so genannten Kopien vor«, erklärte Kaeritha. »Ich muss zugeben, dass ich erstaunt war, als ich seine Kopie sah. Es kam mir vollkommen unmöglich vor, dass jemand eine so gelungene Fälschung anfertigen könnte. Doch es gibt nur eine einzige Erklärung für diesen krassen Unterschied zwischen seinen Abschriften und dem Original. Jemand muss entscheidende Passagen ersetzt oder gefälscht haben.«
»Bei Lillinara!«, stieß Lanitha leise hervor und machte das kreisförmige Zeichen des Vollmondes Der Mutter. »Natürlich wusste ich, dass Trisu alle Kriegsbräute hasst, aber ich hätte
nie erwartet, dass er so etwas wagen würde, Milady! Wie kann er erwartet haben, dass dies unbemerkt bleibt? Er muss doch wissen, dass früher oder später jemand wie Ihr kommt und die Fälschung mit dem Original vergleicht!«
»Eines habe ich in den letzten Jahren gelernt, Lanitha.« Kaeritha beobachtete, wie die Archivarin die Landschenkungsurkunde zusammenrollte und vorsichtig in den Dokumentenkasten zurückschob. »Verbrecher«, fuhr die Amazone müde fort, »glauben immer, dass sie davonkommen. Würden sie das nicht denken, so würden sie sich hüten, sich etwas zuschulden kommen zu lassen.«
»Wahrscheinlich habt Ihr Recht.« Lanitha seufzte und schüttelte den Kopf. »Es kommt mir nur so dumm vor
und traurig.«
»Da seid Ihr im Irrtum.« Kaerithas Stimme klang so ausdruckslos, dass Lanithas Kopf herumfuhr und sie
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