Die dunkle Göttin
musste es sich um Trisu handeln. Er ging zu selbstbewusst und zielstrebig, fast schon überheblich, als dass er jemand anders hätte sein können. Er war blond, hatte graue Augen und sonnenverbrannte Haut. Dabei war er noch sehr jung, höchstens vier- oder fünfundzwanzig. Wie fast jeder Adlige der Sothôii, den Kaeritha bisher getroffen hatte, maß er von Kopf bis Fuß deutlich mehr als einen Meter achtzig. Das allein schon hätte ihm ein beeindruckendes Aussehen verliehen, aber auch wenn seine Körpergröße für einen Sothôii die übliche war, seine breiten Schultern waren das keineswegs. Die meisten Männer der Sothôii hatten, wie Sir Altharn oder Baron Tellian, einen eher schmalen und schlanken Körperbau. Trisu Spitzhackes Schultern jedoch waren im Verhältnis zu seinem Körper beinahe
so breit wie die von Brandark. Er muss mindestes dreihundert Pfund wiegen, dachte Kaeritha, und schleppt dabei kein Gramm Fett am Körper herum. Unwillkürlich bemitleidete sie jedes Kriegsross, das sich unter ihm wiederfand.
Er war nicht gepanzert, hatte sich jedoch die Zeit genommen, einen Säbel mit juwelenbesetztem Knauf in einer goldverzierten schwarzen Scheide umzugürten. Die beiden Männer hinter ihm gehörten offenbar zu seiner Leibgarde und trugen die traditionellen Kürasse aus Stahl und die Lederharnische der Reiterei der Sothôii.
»Also!« Trisu blieb stehen und schob seine Hände in den Schwertgurt, während er finster zu Kaeritha hinaufblickte. Gelassen erwiderte sie den Blick von Wölkchens Sattel aus. Ihr beredtes Schweigen war ein mehr als deutlicher Rüffel für seine Grobheit. Allerdings schien er dafür nicht sonderlich zugänglich, denn er fletschte nur die Zähne zu einem bösen Lächeln.
»Ihr behauptet also, ein Paladin des Tomanâk zu sein, richtig?«, fragte er, bevor das Schweigen peinlich wurde.
»Ich behaupte gar nichts, Milord«, erwiderte Kaeritha nachdrücklich, doch mit ausgesuchter Höflichkeit. Sie lächelte spöttisch. »Ich bin nicht mutig genug, um mich fälschlicherweise als einen Seiner Paladine auszugeben. Ich glaube nämlich nicht, dass Ihm das sonderlich gefallen würde. Was denkt Ihr, hm?«
Trisus graue Augen blitzten, vor Ärger vielleicht, obwohl es Kaeritha auch für möglich hielt, dass dies eine Art von Humor sein konnte. Aber der Funke erlosch sofort, als er verächtlich schnaubte.
»Man könnte es mutig nennen«, sagte er. »Es als närrisch oder vielleicht sogar als dumm zu bezeichnen wäre ebenso angemessen, findet Ihr nicht?«
»Durchaus«, gab sie zu. »Abgesehen von diesen eher ablenkenden Fragen, Milord, frage ich mich, ob es wohl der üblichen Gastfreundschaft derer von Lorham entsprechen mag, einen Reisenden im Hof stehen zu lassen.«
»Unter gewöhnlichen Umständen nicht«, sagte er kühl. »Andererseits werdet Ihr sicherlich verstehen, dass Frauen, die behaupten, Ritter und Paladine der Götter zu sein, schwerlich als normale Reisende gelten können.«
»Auf der Ebene des Windes wohl kaum«, erwiderte Kaeritha ebenfalls kühl, und er errötete. Dennoch war er nicht bereit, klein beizugeben.
»Das mag sein, Milady«, erklärte er. »Aber Ihr befindet Euch auf der Ebene des Windes, und was Ihr behauptet, ist hier nicht nur ungewöhnlich, sondern sogar unerhört. Unter diesen Umständen findet Ihr es hoffentlich nicht übermäßig unhöflich, wenn ich einen Beweis verlange, dass Ihr auch diejenige seid, die zu sein Ihr vorgebt.« Er lächelte. »Sicher wird es der Orden von Tomanâk zu schätzen wissen, wenn die Leute nicht allzu leichtgläubig hinnehmen, falls jemand ohne Beweis behauptet, er wäre einer Seiner Paladine.«
»Verstehe.« Kaeritha betrachtete ihn nachdenklich. Es wäre wirklich hilfreich gewesen, dachte sie, wenn es Tomanâk gefallen hätte, ihr ein ebensolches Schwert zu geben wie Bahzell, das einem in die Hand sprang, wenn man es rief. Das war gewiss eine höchst beeindruckende Methode, die Glaubwürdigkeit als Paladin zu unterstreichen. Bedauerlicherweise blieben ihre eigenen Schwerter in den Scheiden, bis sie die Waffen selbst herauszog, auch wenn sie mit gewissen ungewöhnlichen Eigenschaften ausgestattet waren. Doch sie gehorchten weder einem Pfiff noch einem Fingerschnipsen.
»Ich komme aus Balthar«, sagte sie, »wo mir Baron Tellian freundlicherweise seine Gastfreundschaft angeboten und mir diese entzückende Lady geschenkt hat.« Sie beugte sich vor und strich Wölkchen über den Hals. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos, doch
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