Die dunkle Göttin
drei Tage später gestorben. Ich wusste nicht einmal, wie ernst es um sie stand, so dass ich Quaysar zu spät erreichte, um mich noch von ihr verabschieden zu können.«
»Ich bedauere Euren Verlust«, sagte Kaeritha leise. Und zwar mehr, als Ihr ahnt, dachte sie. Jedenfalls angesichts dessen, was ich allmählich argwöhne. »Also seid Ihr zufrieden mit der Art und Weise, wie die neue Stimme ihre Aufgaben verrichtet?«
»So zufrieden wie man sein kann, nachdem man jemanden wie Shandra verloren hat«, erklärte Yalith. »Wir können von Glück reden, dass wir zwei so starke Stimmen nacheinander bekommen haben. Möglicherweise ist die jetzige Stimme sogar geeigneter für die
weniger erfreulichen Aspekte unserer Zwistigkeiten mit Trisu, als Shandra es war. Ihr Glaube war zwar ebenso stark, aber Shandra scheute immer vor offenen Auseinandersetzungen zurück. Sie war nicht schwach, ganz und gar nicht, zog es aber vor, eine Übereinstimmung zu suchen oder Kompromisse zu finden. Was so lange kein Problem ergibt, als das Gegenüber ebenfalls vernünftig ist. Unsere jetzige Stimme jedoch ist sich ihrer Rolle als Sprachrohr Der Mutter etwas bewusster, vor allem, wenn es darum geht, das Fehlverhalten Ihrer Kinder zu tadeln.«
»Also unterstützt sie Kalathas Haltung gegen Trisu und gibt sich nicht nur damit zufrieden, sein Scheitern zu verurteilen, den Tod der Dienerinnen aufzuklären?«
»Aber ja.« Yalith nickte nachdrücklich. »In dieser Hinsicht macht sie keinen Hehl aus ihren Gefühlen. Sie hat das sogar schon lange vor uns kommen sehen.«
»Ach wirklich?«
»Ja. Sie hielt eine Predigt, in der sie uns riet, uns gegen einen heraufziehenden Sturm zu wappnen, lange bevor unsere Beziehungen zu Trisu den
Bach hinunterflossen. Ich glaube nicht, dass sie genau wusste, was geschehen würde, sonst wäre sie gewiss etwas deutlicher geworden, aber sie hat eindeutig gespürt, dass es schwer wiegende Probleme geben würde.
Sobald unsere
Meinungsverschiedenheiten mit Trisu ans Licht kamen, hat sie immer wieder betont, wie wichtig es wäre, dass die Töchter Der Mutter stark und wachsam wären. Sie unterstützt unsere Entscheidung, so lange nicht nachzugeben, bis wir wenigstens einen vernünftigen Kompromiss mit Trisu erreicht haben. Allerdings hat sie darauf bestanden, die Originaldokumente persönlich in Augenschein zu nehmen, bevor sie offiziell Stellung bezog.«
»Sie hat die Dokumente überprüft? Hier?«
»Nein, nicht hier. Sie konnte Quaysar zu dieser Zeit nicht verlassen. Deshalb hat sie zwei Dienerinnen geschickt, die sie dann zum Tempel brachten.«
»Nur zwei Dienerinnen?«, fragte Kaeritha überrascht, und Yalith lachte barsch.
»Wir wissen ebenso gut wie Ihr, wie
angenehm es gewisse Personen fänden, wenn diese Dokumente auf Nimmerwiedersehen verschwänden, Dame Kaeritha. Ich habe den Dienerinnen eine Eskorte von fünfzehn Kriegsbräuten mitgegeben sowie Lanitha, die persönlich für die Dokumente verantwortlich war.« Sie zuckte die Achseln. »Doch es gab keine Zwischenfälle. Damals jedenfalls nicht.«
»Verstehe.« Kaeritha dachte nach. »Ich bin froh, dass Ihr eine Eskorte mitgeschickt habt«, sagte sie dann. »Schon aus historischer Sicht sind diese Dokumente unersetzlich. Ich kann mir vorstellen, dass die Kriegsbräute sie immer im Auge behalten haben, wenn sie Kalatha verließen.«
»Das war das einzige Mal, dass sie jemals die Stadt verlassen haben«, antwortete Yalith. »Ich bin sicher, meine Vorgängerinnen haben sie ebenso sorgfältig behütet.«
»Das taten sie bestimmt«, pflichtete Kaeritha ihr nachdenklich bei. »Ganz bestimmt.«
»Hallo, Dame Kaeritha.«
Leeana Bogenmeister hatte sich sehr verändert. Doch nein, das ist vielleicht ein wenig voreilig, verbesserte sich Kaeritha.
Ihr Äußeres war gewiss deutlich anders als früher, doch es blieb abzuwarten, wie sehr sich auch die junge Frau hinter dieser Fassade verwandelt hatte.
»Hallo, Leeana«, antwortete die Amazone. »Ihr seht gut aus.«
»Anders, meint Ihr wohl.« Leeana lächelte, als hätte sie Kaerithas Gedanken gelesen.
»Stimmt. Aber in Eurem Fall bedeutet anders und gut dasselbe. Ich meine damit nicht nur Euer Äußeres, junge Lady. Als ich Euch das letzte Mal sah, habt Ihr nicht gerade sehr glücklich ausgesehen.«
»Oh.« Leeana schaute auf ihre nackten Zehen und wackelte tatsächlich mit ihnen. »Da könntet Ihr Recht haben«, gab sie kurz darauf zu.
Die beiden standen auf einer überdachten Veranda
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