Die dunkle Göttin
vor der Ausbildungshalle. Die Bohlen fühlten sich schon unter Kaerithas Stiefeln unbehauen und roh an, umso mehr musste das Leeana spüren. Aber das Mädchen achtete nicht darauf. Und genauso wenig schien es den feinen Gewändern, der prachtvollen Stickerei und den Halbedelsteinen nachzutrauern, mit denen sich die Tochter eines großen Barons einst geschmückt hatte.
Das fiel Kaeritha auf. Sie hatte Leeana vor mehr als zwei Wochen das letzte Mal gesehen, an dem Nachmittag, als sie Leeana Tellians Antwort auf ihre Botschaft überbracht hatte.
Die Amazone hatte zwar erwartet, dass sich Leeana in dieser Zeit verändert hatte, hatte aber dennoch damit gerechnet, dass Leeana noch in den Gewändern umherlaufen würde, die ihrer Mutter gefallen hätten. Doch die Lederhosen und Kleider, die Leeana als bequeme Kleidung auf Schloss Hügelwacht so sehr geschätzt hatte, waren verschwunden. Kaeritha fragte sich, was ihre Eltern wohl sagen würden, könnten sie ihre Tochter jetzt sehen.
»Allerdings hat sich auch in Eurem Äußeren einiges verändert«, bemerkte sie dann amüsiert und neigte den Kopf.
»Fühlt Ihr Euch wohl darin?« Sie deutete auf den Chari und den Yathu.
»Wohlfühlen ist ein so
weiter Begriff.« Leeana verzog das Gesicht. Unwillkürlich hob sie die Hand und schob ihren Zeigefinger unter den Schulterriemen ihres engen Yathu. »Ich habe schon schwere Geschirrharnische für Kutschpferde gesehen, die bequemer waren! Außerdem«, sie zog erneut eine Schnute, zog ihren Finger heraus und deutete auf ihre kleinen, festen Brüste, »brauche ich diesen Yathu eigentlich gar nicht!«
»Das glaubt Ihr jetzt, Mädchen, aber Ihr werdet Eure Meinung in ein oder zwei Jahren drastisch ändern.« Kaeritha betrachtete die junge Frau noch einen Augenblick und lachte dann leise. »In Anbetracht Eurer Größe werdet Ihr ihn bestimmt noch viel mehr zu schätzen wissen als ich. Und es wird auch keine zwei Jahre mehr dauern, wenn ich genauer darüber nachdenke!«
»Wirklich nicht?« Leeana warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, errötete und sah wieder auf ihre Zehen. Dabei grinste sie jedoch und Kaeritha schüttelte den Kopf.
»Alles spricht dafür«, meinte sie wissend. »Ihr seid schon jetzt größer als ich und seid noch im Wachstum. Ihr müsst sicher noch ein bisschen Eure Formen ausbilden, doch Ihr scheint die Figur Eurer Mutter geerbt zu haben. Also wartet noch ein paar Jahre, bis Ihr Euch beschwert.«
»Wenn Ihr das sagt, Dame Kaeritha«, murmelte Leeana gehorsam, und Kaeritha verkniff sich ein Lachen. Sie vermutete, dass die Kriegsbräute ihre traditionellen Gewänder teilweise auch wegen ihrer starken Wirkung so entworfen hatten. Ob sie jedoch mit den Yathus nur ihren Busen sorgfältig schützen und stützen, oder auch die feine Gesellschaft der Sothôii hatten schockieren wollen, in einem Punkt war sich Kaeritha sicher. Weder Baron Tellian noch Baronin Hanatha hätten den engen Sitz des unbestreitbar höchst knappen Yathus gebilligt, und erst recht nicht die Art, wie er den wohlgeformten Körper
ihrer Tochter und ihren Bauchnabel vor aller Welt zur Schau stellte.
»Seid nur nicht allzu sehr auf Komplimente aus, junge Lady!«, sagte Kaeritha jetzt streng. Leeana antwortete mit einem Laut, der verdächtig nach einem Kichern klang.
Dieses Kichern und die ganze Haltung des Mädchens beruhigten Kaeritha. Leeana war von ihren Selbstverteidigungs übungen weggerufen worden, um mit Kaeritha sprechen zu können. Kaeritha wusste, dass die körperliche Ausbildung der Kriegsbräute ebenso anspruchsvoll war wie ihre eigene. Mit Gewissheit war sie weit härter als alles, was Leeana bis vor ihrer Flucht aus Balthar erlebt hatte. Dabei war das Mädchen weder faul noch träge gewesen. Die Kriegsbräute nahmen ihre Mädchen sehr hart heran, vor allem die Kriegsjungfern in der Probezeit. Damit wollten sie nicht nur den Unterschied zwischen ihrem alten und dem neuen Leben verdeutlichen, sondern auch überprüfen, wie entschlossen die jungen Frauen wirklich waren, Kriegsbräute zu werden.
Die überwiegende Mehrheit von denen, die durchhielten und am Ende sogar zu Amazonen der Kriegsbräute aufstiegen, würde bei der leichten Infanterie dienen, als Späherinnen und Guerillakämpferinnen. Als solche kannten die Sothôii sie, wenn sie überhaupt einmal einen Gedanken an die Kriegsbräute verschwendeten. Dieser Kampfstil erforderte Schnelligkeit und Ausdauer, dafür aber weniger Körpergröße oder pure Kraft. Und die Ausbildung,
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