Die dunkle Horde - Die Troll-Saga ; [5]
den gewaltigen, grauen Monstern Trolle erkannte. Sie wusste wenig über diese Bewohner der hohen Berge, die sich eigentlich von allen anderen Völkern fernhielten und nicht einmal Handel trieben. Sie kamen nur selten aus ihrer Heimat herab, und niemand hatte Grund, zu ihnen hinaufzusteigen.
»Konntet ihr erkennen, warum sie euch angegriffen haben?«, fragte Narem Delek’op, die Anführerin der kleinen Schar von Geflohenen. Sie saß in sich zusammengesunken auf der Bank, eine Schale mit Eintopf vergessen in ihrem Schoß. Ihr Gesicht war schmutzig, und sie trug nur ein dünnes Gewand, das wohl nicht für den Aufenthalt im Freien gedacht gewesen war. Jemand hatte ihr eine grobe graue Decke um die Schultern gelegt, die sie geistesabwesend mit einer Hand festhielt.
»Nein. Wir haben nichts getan. Es gab keinen Streit, nicht einmal Kontakt.«
Besorgt blickte Deilava zu Narem, der sich mit der Hand über den Mund strich.
»Haben sie geplündert? Was genau ist geschehen?«
Jetzt blickte Delek’op auf, und ein Hauch von Leben kehrte in ihre Augen zurück. »Wir haben nicht abgewartet, was sie tun würden. Ich habe meine Familie genommen und bin durch das Osttor geflohen, so wie einige andere auch. Wir sind einfach gelaufen, nur mit dem, was wir am Leib trugen. Aber ich konnte ihr Brüllen hören und die Schläge und…«
Sie verstummte, überwältigt von den Erinnerungen an die Erlebnisse. Sie weinte nicht. Deilava wusste nicht einmal, ob Eleitam überhaupt weinten. Aber obwohl ihr Gesicht seltsam unbewegt blieb, selbst jetzt, da ihre Stimme versagte und ihre Finger zitterten, konnte die Elfe darin jetzt das Leid erkennen, das sie verspürte.
»Verzeih mir, bitte.« Narem legte seine Hand auf ihren Unterarm. »Wir müssen nur so viel wie möglich wissen.«
Er sprach es nicht aus, aber Deilava wusste, was er meinte. Sie mussten mehr über die Angriffe der Trolle in Erfahrung bringen, weil sie es mit einem neuen Feind zu tun hatten. Einem Feind, gegen den sie ziehen würden.
Lernt dieses Land denn gar keinen Frieden mehr kennen? , fragte sie sich stumm. Erst Zwerge, jetzt Trolle. Es scheint, als ob aus den Bergen nur Blut und Tränen fließen.
»Es waren viele.« Delek’op richtete sich auf. »Sie haben die Palisade durchbrochen, als wäre sie aus Gras geflochten gewesen und nicht aus Holz erbaut. Aber ich glaube, nicht einmal Stein hätte sie aufgehalten.«
Vor Deilavas innerem Auge tauchte das Bild des zerstörten Tors von Ke’leth wieder auf. Sie versuchte sich vorzustellen, wie Trolle über die Stadt herfielen, wie sie das Tor aus den Angeln rissen. Es gelang ihr nicht.
»Wir haben sie in einer Straße kämpfen sehen. Waffen richteten nichts gegen sie aus, und sie haben Stein zu Staub zerschlagen!«
Narem warf Deilava einen Blick zu. Delek’op war in dunkler Nacht voller Panik geflohen. Es war schwer zu sagen, wo die Wahrheit endete und die von Angst befeuerte Imagination begann.
»Trugen sie Rüstungen?«, fragte Deilava deshalb sanft. »Was für Waffen hatten sie?«
»Nur ihre Klauen und Hauer. Und keine Rüstungen, aber ihre Haut ist so dick wie stärkster Stahl. Sie scheinen keinen Schmerz zu spüren, keine Furcht zu kennen. Nichts kann sie aufhalten.«
Lauter und lauter waren ihre Worte geworden, bis sie alle im Raum übertönten und Delek’op jedes Antlitz zugewandt war. Die Gespräche verstummten, Bewegungen erstarrten.
»Sie sind Monster aus uralten Legenden, keine Wesen aus Fleisch und Blut.«
Deilava konnte das Entsetzen, das sich im Raum ausbreitete, beinahe körperlich spüren. Hastig erhob sie sich. »Wir haben die Krieger des Kleinen Volkes zurückgeschlagen und ihre Herrschaft über die Länder der Eleitam gebrochen. Wir werden auch diese neue Gefahr besiegen.«
Obwohl Delek’op langsam den Kopf schüttelte, widersprach sie nicht, sondern schwieg, was gut war.
Narem trat neben Deilava. »Wir senden Boten zu unseren Verbündeten«, fügte er hinzu. »Sie werden an unserer, an eurer Seite stehen.«
Allmählich kam wieder Leben in die Eleitam und die Elfen. Leise Worte wurden gewechselt, das Kratzen von Löffeln in Schüsseln ertönte, es wurde wieder getrunken und gegessen.
Mit einem leichten Kopfnicken bat Deilava Narem, ihr zu folgen, und verließ den stickigen, verrauchten Raum.
Die kühle Nachtluft war erfrischend, und ein leichter Wind wehte den Dunst aus ihrem Geist, in dem ihre Gedanken sich zu verlieren drohten. Über ihnen funkelten die Sterne, endlose Zeugen der Welt.
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