Die dunkle Prophezeiung des Pan
Schauspielern
wie er, denn er sah mich ständig kritisch von der Seite an. An
meinem Aussehen konnte es nicht liegen. Ich hatte Flo angerufen und
mir ein paar Tipps eingeholt. Zweimal fragte Richard, ob mir etwas
fehle oder ich mich nicht wohl fühle. Ich antwortete jedes Mal,
alles sei bestens.
Nach
dem Konzert führte Richard mich in einen kleinen Pub mit dem
historischen Namen Mayflower .
Er besorgte uns zwei Cola und wir setzten uns in eine ruhige Ecke.
»Ist
bei dir alles in Ordnung?«, fragte er wieder und musterte mich
kritisch.
Ich
zuckte die Achseln. »Wieso sagst du das ständig? Sehen
meine Haare wieder aus wie ein Vogelnest?«
Richard
grinste. »Nein. Ganz bestimmt nicht.« Er lehnte sich
zurück und betrachtete mich weiterhin. »Haben deine Haare
je wie en Vogelnest ausgesehen? Das kann ich mir gar nicht
vorstellen.«
Ich
schnaubte und trank schnell an meiner Cola.
»Aber
du siehst wirklich anders aus. Irgendwie traurig.« Sein Lächeln
verblasste. »Was ist los, Fay?«
Ich
zuckte die Achseln. »Ach, alles und nichts. Eigentlich läuft
alles ganz gut. Ich habe einen tollen Job, in der Schule läuft’s
jetzt besser. Trotzdem fühle ich mich nicht wohl. Meine Mum hat
mir vor einiger Zeit erklärt, sie will, dass ich den Pub
übernehme, und seither reden wir kaum noch miteinander.«
Den wirklichen Grund wollte ich Richard nicht sagen.
Er
schien allerdings meine Erklärung zu akzeptieren. »Das
verstehe ich. Als ich die erste Hauptrolle bekam, waren meine Eltern
frisch getrennt. Auf einmal wollte jeder von beiden seinen Anteil an
mir und war sauer, wenn ich versucht habe beide gleich zu behandeln.«
»Hat
sich das gelegt?«, fragte ich vorsichtig.
»Nicht
wirklich.« Er legte seinen Arm auf der Rückenlehne hinter
mir ab. »Ich habe einfach keinen der beiden mehr zu einer
öffentlichen Veranstaltung mitgenommen. Deswegen sieht man mich
meistens allein auf dem roten Teppich oder mit einem Mädchen.
Welches, ist mir dabei schon ziemlich egal, Hauptsache ich kann Mum
und Dad eine Ausrede liefern.«
Richard
sprach nicht oft von seinem Privatleben. Er erzählte mir immer
gern von seinen Filmen und seiner Arbeit. Jetzt verstand ich, warum:
es war unkomplizierter. Auf einmal war sein Leben nicht mehr so
glamourös, sondern genauso normal wie das von Phyllis, Corey und
mir. Die waren jetzt auf dem Ball und amüsierten sich bestimmt
königlich.
»Was
möchtest du machen, wenn du die A-Levels in der Tasche hast?«,
änderte er abrupt das Thema.
»Ich
möchte Lehrerin werden«, antwortete ich ehrlich. »Das
habe ich mir in den Kopf gesetzt, seit wir in der vierten Klasse so
eine nette Lehrerin hatten. Mrs Marlowe. Das war noch in Cornwall.
Sie war wundervoll und ich wollte genauso werden wie sie.«
Richard
lächelte. Jetzt fühlte ich seine Hand auf meiner Schulter.
Langsam wanderte sie zu meinem Hals. Mein Herz begann schneller zu
schlagen und ich hoffte, Richard würde meinen beschleunigten
Atem nicht bemerken.
»Ich
kann mir dich sehr gut als Lehrerin vorstellen«, sagte er
leise.
Er
zog meinen Kopf sanft zu sich und sein Gesicht war auf einmal ganz
nah. Ich sah, wie sich seine Augen verdunkelten und er den Kopf
neigte. Mein Puls hämmerte. Das musste er mit seinem Finger an
meiner Halsschlagader fühlen. Jetzt bemerkte ich aber auch
seinen unregelmäßigen Atem in meinem Gesicht. Er war
genauso nervös. Ich schloss die Augen und ließ mich von
ihm führen. Ich spürte seine Wärme, roch seinen süßen
Atem und ein unaufdringliches Parfüm. Jetzt fühlte ich
seine Lippen die meinen berühren. Ganz zart strichen sie
darüber. Mein Herz pochte bis in meinen Magen.
»Verdammt,
City, was soll das?«
Erschrocken
fuhr ich hoch. Vor uns stand ein junger gutaussehender Mann. Er trug
ein Achselshirt, ein großes Silberkreuz am Hals, seine Jeans
waren zerrissen und sahen aus, als hätte er in ihnen ein
Motorrad repariert.
Carl.
Und dicht hinter ihm Jeremy, der Mann meiner Schwester. Carls Bruder.
Ich
atmete scharf aus. Richards Hand krallte sich in meine Schulter. Aber
er ließ nicht los, sondern zog mich zu sich.
Carl
sah mich wütend an. Jeremys Augen wanderten ungläubig von
Richard zu mir und wieder zu Richard.
»Du
elende Schlampe!«, fauchte Carl. »Weißt du
eigentlich, was du angerichtet hast? Ich habe dich zweimal angerufen
und du hast es nicht mal nötig, mich zurückzurufen? Wegen
dem da? ‘Nem Typen, der aussieht wie die Schwuchtel Richard
Cosgrove?«
Richards
Griff verstärkte sich. Aber
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