Die dunkle Prophezeiung des Pan
nicht mehr zu sehen. Aber um Nicoles
Mund zuckte ein zufriedenes Lächeln.
FEDEX, HERMES UND UPS
Corey
hatte sich am nächsten Morgen bei uns entschuldigt. Natürlich
hatten wir beteuert, das wäre nicht nötig, trotzdem bestand
er darauf. Allerdings hatte er etwas ausgelöst: Die Frage nach
Lees Verbleib stand offen im Raum und ich, als seine angeblich beste
Freundin, sollte sie doch klären können. In den Augen aller
anderen zumindest.
Es
nutzte nichts. Ich musste energischer vorgehen. Diese Nacht hatte ich
von Lee geträumt. Im Traum hatte ich die Vision aus dem Becken
von Versailles vor Augen gehabt und Lee hatte eine weitere Leiche
gefunden. Wieder grausam zerstückelt. Bei näherem Hinsehen
hatte ich erkannt, dass es Mr Selfridge gewesen war. Er hatte noch
mit seinem Blut die binomische Formel an der Wand zu Ende gerechnet,
ehe er gestorben war. Die ganze Mathestunde über hoffte ich, Mr.
Selfridge würde heute nicht mit roter Kreide arbeiten.
Nach
der Schule fuhr ich sofort zum Berkeley Square. Ein wenig ratlos
stand ich vor der verschlossenen Haustür. Ich klopfte, ich
klingelte und natürlich öffnete mir niemand.
Aus
lauter Verzweiflung begann ich die Fußmatte und die Blumentöpfe
an den Fenstergittern anzuheben und ganz überraschend –
unter dem kleinen, steinernen Löwen auf dem Zaunpfosten –
wurde ich fündig.
Das
Haus war düster. Ich hatte gewusst, dass es wie ein
viktorianisches Museum aussah mit seinen getäfelten Wänden
und den dunklen Samttapeten. Aber ganz ohne Licht in der Dämmerung
war es beinahe beängstigend. Zum Glück musste ich nicht
weit gehen.
Das
Gemälde hing direkt im Treppenhaus. Nur beruhigte es mich nicht
wirklich. Ich dachte an die dicke Spinne, die einmal dort
herausgekrabbelt war. Die drei puttenhaften Elfen, die ich suchte,
waren auf dem Gemälde ohne Schwierigkeiten zu erkennen. Ich
lehnte mich an das Treppengeländer und räusperte mich.
»Hallo«,
sagte ich zaghaft. Ich sprach mit einem Bild. Und es antwortete
nicht. Ich kam mir nicht wenig dämlich vor. »Hallo!«,
sagte ich dieses Mal etwas forscher. Die Elfen blieben unbewegt und
auch sonst war alles ruhig. »Würdet ihr bitte mit mir
reden? Ich brauche eure Hilfe.«
Nichts.
» Halloooo ?!«,
sang ich jetzt laut. Noch immer regte sich kein Blatt. Das letzte
Mal, als sie sich materialisiert hatten, war es nach Mitternacht
gewesen. »Muss ich jetzt etwa warten?«, seufzte ich und
ließ mich auf einer Treppenstufe nieder.
Niemand
antwortete. Ich hatte auch nicht wirklich damit gerechnet.
Es
blieb ruhig, als draußen die Straßenlaternen angingen,
der Verkehr abnahm und eine Kirchenglocke in der Nähe schlug. Es
blieb ruhig, als ein paar laut grölende Nachtschwärmer
vorbeizogen. Es blieb so ruhig, dass mir die Augen zufielen und ich
mit dem Kopf auf einer der oberen Stufen einschlief.
Bis
mich ein seltsames Summen weckte. Durch meine Augenschlitze nahm ich
grünes Licht wahr.
»Die
Prophezeite schläft friedlich auf der Treppe. Die hat bestimmt
getrunken.«
»Wäre
ja nicht das erste Mal.«
»Sollen
wir ihr die Fingernägel lackieren? Oder ihr mit Lippenstift
›Alki‹ auf die Stirn schreiben?«
»Soll
ich euch die Flügel ausrupfen oder ein Feuerzeug ans Bild
halten?«, sagte ich laut und setzte mich auf.
Direkt
vor mir im Rahmen, als wäre es das Geländer einer
Theaterloge, hingen die drei Elfen. Erschrocken zuckten sie zusammen.
»Oho,
unsere Erlöserin ist ja wach«, sagte der linke. Seine
spitzen Ohren durchbrachen sogar die dichte, blonde Mähne. Das
waren bestimmt Segelohren à la Elfenart. Extra-Flügel.
Ich taufte ihn in Gedanken Hermes.
»Macht
ihr Witze? Bei dem Lärm, den ihr veranstaltet.« Aber ich
gähnte, dass mein Kiefer knackte.
»Schlafend
hat sie mir besser gefallen«, sagte der Mittlere. »Ich
konnte dein Gaumenzäpfchen sehen. Beinahe auch noch die Reste
von deinem Lunch.«
»Schwerlich«,
sagte ich unbekümmert. »Ich habe kaum was gegessen. Wieso
habt ihr so lange gebraucht?«
»Schätzchen,
da sieht man mal wieder, wie ungebildet du bist«, sagte der
Rechte verächtlich. »Wir können uns nicht früher
bemerkbar machen. Erst um drei Uhr herum, wenn die Nacht am
dunkelsten ist, besteht die Möglichkeit, die Grenze zu
durchbrechen.«
Wir
hatten drei Uhr vorbei?, dachte ich erschrocken. Die drei Elfen grinsten hämisch. Sie
hatten meine Gedanken gelesen. Oder meinen Gesichtsausdruck.
»Mal
ehrlich, die soll unser Reich retten? Vor was? Einem Fliegenpups?«
Die
drei
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