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Die dunkle Prophezeiung des Pan

Die dunkle Prophezeiung des Pan

Titel: Die dunkle Prophezeiung des Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Regnier
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Steinquadern und für
den Bruchteil einer Sekunde sah ich, wie sich jemand duckete. Doch im
nächsten Moment war er verschwunden. Diesmal schaute ich, wonach
ich griff, packte das kleine Messer und sprang auf. Mit einem Ruck
riss ich den Vorhang zur Seite. Dahinter befand sich nichts. Niemand.
Niente.
    Langsam
ließ ich den Vorhang sinken. Mein Herz raste. Wo konnte der
Eindringling hin sein? Oder ging in diesen alten Gemäuern meine
Phantasie mit mir durch? Ich setzte mich wieder und versuchte ruhiger
zu atmen. Das Messer warf ich auf den Tisch. Als ob ich damit etwas
hätte anrichten können. Die Klinge war winzig und nur dazu
gedacht Bleistifte anzuspitzen. Warum benutzte man hier auf Avalon
eigentlich keine Spitzer?
    Weil
ich noch immer schräg zum Tisch saß, konnte ich es dieses
Mal richtig erkennen: Der Schatten eines Menschen fiel auf die Wand
vor mir.
    »Stehenbleiben!
Keine Bewegung!« Ich sprang auf, das Messerchen wie eine
Pistole vor mir haltend. Ich drehte mich um, aber hinter mir war
niemand. Ich war allein. Ich wandte mich erneut zur Mauer. Dort war
die Gestalt noch immer im untergehenden Sonnenlicht abgebildet, mit
hocherhobenen Armen. Wieder drehte ich mich ruckartig um. Nichts.
    Zurück.
Dieses Mal hatte der Schatten die Hände in die Hüften
gestützt, als warte er ungeduldig auf etwas. Wahrscheinlich
darauf, dass bei mir der Groschen fiel.
    Er
fiel endlich. Vor mir war ein Schatten. Keine Person, ein Schatten .
    »Okay,
bist du ein Geist?«
    Der
Kopf bewegte sich von links nach rechts und zurück.
    »Aber
du kannst mich verstehen?«
    Er
nickte.
    »Aber
nicht sprechen?«
    Wieder
ein Schütteln.
    »Wer
bist du?«
    Er
deutete auf seinen Kopf. Dichte Haare, normale Ohren.
    Also
kein Elf oder Halbelf. »Ein Mensch?«
    Er
nickte.
    »Warst
du hier Schüler?«
    Er
wackelte mit dem Kopf.
    »Kein
Schüler oder kein richtiger Schüler?«
    Er
hielt zwei Finger in die Höhe.
    »Also
Lehrer?«
    Wieder
das Schütteln.
    War
das nicht egal, was er war? Die Frage war doch eigentlich, was wollte
er von mir. »Was willst du von mir?«
    Er
drehte sich ins Profil und hielt einen Finger an seinen Mund und
tippte sich dann auf die Brust.
    »Ich
soll den Mund halten. Okay. W…«
    Die
Tür ging auf und Fynn steckte den Kopf herein. »Hier bist
du! Redest du mit dir selber?«
    Ich
warf einen letzten Blick auf die Wand und sah erneut den Finger an
den Lippen. »Äh … eure Bibliothek ist unglaublich«,
stammelte ich. »Die kann man nicht ohne Kommentare lesen. Wer
hätte gedacht, dass Heinrich VIII. schwul war und eigentlich nur
seinen Schwager Brandon wollte?«
    Fynn
grinste. »Ich glaube, du hast da was missverstanden.«
    Ich
blickte schnell auf das Buch und klappte es zu. Niemand musste
wissen, was ich tatsächlich gelesen hatte.
    »Hör
mal.« Auf einmal wirkte Fynn ganz verlegen. »Ich habe
heute Geburtstag und ich wollte dich einladen. Wir feiern immer ein
wenig. Um zehn Uhr treffen wir uns im Jungen-Dormitorium.«
    »Nur
Jungs?«, fragte ich alarmiert. Wer weiß, was für
Rituale hier abgehalten wurden. Jungfrauenopfer waren bestimmt keine
Seltenheit.
    Fynn
schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Die Mädchen sind
auch dabei.«
    »Klar.
Danke für die Einladung. Oh, und herzlichen Glückwunsch.
Wie alt wirst du?«
    »Achtundzwanzig.«
    Ich
starrte ihn an. Er sah aus wie neunzehn. Zwanzig höchstens.
    Fynn
lachte über meinen Gesichtsausdruck. »Du weißt doch,
dass auf Avalon die Uhren anders ticken, oder nicht?«
    Ich
schüttelte den Kopf.
    »Oh.«
Schlagartig hörte er auf zu lachen. »Also hier ist alles
in einer perfekten Einheit. Einhundert Sekunden ergeben eine Minute
und einhundert Minuten eine Stunde. Dreißig Stunden einen Tag.
Avalon ist nun mal kein Teil der Menschenwelt – nun ja,
zumindest nur zu einem Bruchteil – aber wir feiern unsere
Geburtstage immer noch nach Menschenzeit, obwohl unsere Körper
hier langsamer altern. Hier.« Er reichte mir eine altmodische
Taschenuhr. »Die ist auf Avalonzeit eingestellt. Damit kannst
du dich vielleicht ein wenig besser zurechtfinden.«
    Die
Uhr hatte fünfzehn Zifferblätter. Alle waren kunstvoll mit
Gold und Silber und winzig kleinen Edelsteinen verziert.
    »Zehn,
okay?«
    Er
ließ mich allein zurück. Ich setzte mich und versuchte
wieder einmal alles zu verdauen, was in den letzten zehn Minuten auf
mich eingestürzt war. Der Schatten an der Wand zeigte sich nicht
mehr. Spielte mir meine Phantasie an diesem mystischen Ort einen
Streich?
    »Oh,
Göttin, du hast

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