Die dunkle Schwester
ihr seid bitte vorsichtig. Meidet bewohnte Gegende n – haltet euch fern von Bauernhöfen, Dörfern und Weilern. Und sorgt dafür, dass ihr nicht gesehen werdet.«
»Das ist ein weiser Rat«, stimmte Eden zu. »Die Bewohner des Elfenreichs sind gut und ehrlich, doch wenn euch die Grauen Ritter auf den Fersen sind, könnt ihr euch nicht mehr ohne Weiteres auf ihre Loyalität verlassen. Haltet euch an einsame, wilde Gegenden. Esst, was ihr unterwegs findet. Die Felder und Äcker des Landes werden euch mit dem Nötigsten versorgen. Füllt eure Wasserschläuche an Flüssen und Bächen und haltet stets Wache, wenn ihr nachts euer Lager aufschlagt.«
Tania nickte. Trotz aller Gefahren, die sie erwarteten, regte sich Abenteuerlust in ihr. Auf ihrer Reise würden sie und ihre Gefährten durch Gegenden kommen, an die sie keine Erinnerung mehr hatte; auf diese Weise war die Flucht auch so etwas wie eine Wiederentdeckung ihrer Elfenheimat.
»Wendet euch nach Nordwesten, wenn ihr den Wald hinter euch gelassen habt«, sagte Sancha. »Reist durch die Flammenwiesenebene und von dort die Sinadonhügel hinauf. Überquert die Berge im Westen, aber meidet die Stadtmauern von Caer Regnar Naal. Edric ist im Norden geboren und aufgewachsen; er wird euch zu führen wissen, wenn ihr die rauen Berge des Herzogtums Weir erreich t – aber hütet euch, der Burg des Herzogs zu nahe zu kommen. Wenn ihr den Fluss Lych überquert habt, kommt ihr in die Wildnis von Prydein. Dort seid besonders wachsam und nehmt euch vor den wilden Tieren in Acht, die dem Elfenvolk wenig Zuneigung entgegenbringen und euch gefährlich werden können.«
Titania blickte Edric ernst an. »Ich gebe meine Töchter in Eure Hände, Master Chanticleer«, sagte sie und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Und Euch in ihre.« Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. »So geht nun, Edric. Kehrt unversehrt zurück und bringt mir die Prinzessinnen und den König mit.«
»Das werde ich tun, Euer Hoheit«, sagte Edric und fiel auf die Knie.
Eden spähte in den dunklen Wald jenseits der Smaragdkuppel. »Und seid vorsichtig, wenn ihr in den Wald hinaustretet. Es kann sein, dass die Hunde ganz in der Nähe sind.«
»Keine Sorge, wir passen schon auf«, sagte Tania. »Also, gehen wir?«
Cordelia zog ihr Schwert und trat, ohne zu zögern, auf die schimmernde Schranke. Einen Augenblick erstrahlte sie in einem magischen grünen Licht, dann war sie verschwunden. Tania, Edric und Zara zogen ebenfalls ihr Schwerter und folgten ihr.
Tanias Augen füllten sich mit gleißendem grünem Licht, als sie auf die Barriere trat. Es war wie ein leichter Stromschlag, der ihre Haut prickeln ließ, dann war es vorbei, und sie stand neben Cordelia und den anderen im Wald.
»Was passiert eigentlich, wenn jemand aus Versehen auf die Schranke tritt?«, fragte sie.
»Er würde nichts merken«, erwiderte Cordelia. »Ehe er sichs versähe, stünde er auf der anderen Seite und wäre um keinen Deut schlauer. Sei unbesorgt, Tania, unsere Mutter und alle anderen sind in Sicherheit.«
»Ja, wahrhafti g – auf jeden Fall mehr als wir«, murmelte Zara und spähte in die Bäume. »Hört ihr das?«
»Was?«, fragte Tania.
Ein lang gezogenes, gespenstisches Heulen drang zu ihnen.
»Die Morrigan-Hunde«, flüsterte Cordelia. »Und nicht sehr weit weg. Aber ich muss die Hufspuren der Pferde finden, sonst kommen wir nicht lebend aus den Wäldern von Esgarth heraus. Folgt mir, und seid so leise, wie es irgend geht.« Mit diesen Worten drehte sie sich um, schnupperte und spähte ins Waldesdunkel. Dann lief sie los, geduckt und mit gesenktem Kopf, den Blick auf den Boden geheftet. Die anderen folgten ihr auf dem Fuß, zuerst Tania, dann Zara und Edric.
Selbst wenn Tania zu Anfang noch gewusst hätte, wo sie sich befanden, hätte sie spätestens jetzt jede Orientierung verloren. Cordelia führte die Gefährten über moosbewachsene Hänge voller roter Ebereschen und über Geröllhalden mit verkrüppelten Bäumen, die sich gefährlich schief in den Fels krallten und ihre Wurzeln stolz in die Luft reckten. Sie sprangen über Kiesbäche, kletterten über Grasbuckel, und hin und wieder erreichten sie eine kleine Lichtung, in der sie die ersten gelben Dämmerstreifen am Himmel sahen, oder sie stiegen in tiefe, weidenbestandene Schluchten hinab, wo die Nacht noch unter dem dichten Laubdach ausharrte.
Plötzlich ein Heulen, erschreckend nahe. Cordelia blieb stehen und zog prüfend die Luft ein. »Ich rieche tote
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